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Wie aus einer Eigentumswohnung ein Hamburger wird

Weingläser beim Heurigen

Korrektur eines Versprechens des Bundeskanzlers nach einem gewissen Durchrechnungszeitraum

 

Die Rede des Bundeskanzlers im Juli in Hallein war um vieles besser als jene, die er im März „an die Nation“ gehalten hat. Sie war spontaner, glaubwürdiger, wahrhaftiger, volksnah und faktenbasiert. Sicherlich hat man sich im Bundeskanzleramt zwischenzeitlich durchgerechnet, dass die Prognose, dass Österreich 2030 ein Land der Eigentümerinnen und Eigentümer sein wird, unhaltbar ist, wohingegen ein Hamburger mit Pommes pro Tag und Kind sich ausgehen könnte. Durchgerechnet hat sich der Bundeskanzler auch, sogar voriges Jahr schon, was Österreichs arbeitende Bevölkerung gebraucht hätte, um die inflationsbedingten Kostensteigerungen zu stemmen: 3.000 Euro netto für brutto und die Abschaffung der kalten Progression. Aber die Gewerkschaften haben´s vermasselt, weil:

 

 

„||:Der Durchrechnungszeitraum ist der Durchrechnungszeitraum:|| und bleibt der Durchrechnungszeitraum“!

 

Heißt übersetzt: Weil die Gewerkschaften auf Basis jahrzehntelanger Lohnverhandlungsgrundlage die Inflation „rollierend“ an Hand der Durchschnittswerte für die Monate des vorangegangenen Jahres herangezogen haben, wurde die Wohltat des Kanzlers mit seinen vorgeschlagenen Maßnahmen untergraben. Demnach will er nicht, dass die Sozialpartner Lohnverhandlungen führen, sondern die Regierung (mit sich selbst) via Gesetzesinitiativen. Welches Modell ihm Pate gestanden sein mag, können wir vermuten, aber nicht wissen. Jedenfalls ist die Ähnlichkeit zur Einführung eines Wirtschaftsdirektoriums Anfang der 1950er Jahre auffallend und als Seitenhieb einer konservativen Partei gegen den linksalternativen Koalitionspartner sicherlich geeignet, auch wenn diese Art Nebenregierung damals, 1951 vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurde.

 

 

Für die Interessensvertretungen 2023 bedeutet das:

 

  • Wir müssen allen Versuchen auf das Schärfste entgegentreten, mit denen Organisationen für die Arbeitnehmer:innen geschwächt werden könnten. Die Pflichtmitgliedschaft bei den Arbeiterkammern gehört in den Verfassungsrang gehoben.
  • Es sollten Vorkehrungen getroffen werden, damit die parteipolitisch orientierte fraktionelle Gliederung in den Arbeiterkammern und Gewerkschaften zurückgedrängt wird.
  • Freiwillige Berufsvereinigungen sollten Budgetmittel im Wege des Finanzausgleichs erhalten, deren Höhe sich nach der Anzahl der Beschäftigten in Österreich richtet. Zu diesem Zweck sind die Berufsvereinigungen rechtlich (F-VG) auf die Ebene von Bund, Ländern und Gemeinden zu heben.
  • Deutliche Ausweitung verpflichtender Mitwirkung der Sozialpartner in sämtlichen Angelegenheiten zur Bewahrung des sozialen Friedens.
  • Verpflichtende Weiterbildung für Regierungsmitglieder, den Nationalrat und der Landtage in Angelegenheiten der Sozialpartnerschaft.

 

 

Wir, die unabhängigen Gewerkschafter:innen in der GÖD können diese Forderungen ohne Rücksicht auf Parteiräson stellen. Wir tragen das Attribut „unabhängig“ nicht als Floskel in unserem Namen, sondern verwirklichen es und handeln auch dementsprechend. Als Repräsentant der Regierung hat der Bundeskanzler bewiesen, dass die Leistungen und die Lösungskompetenz der Sozialpartner während der Zeit der Pandemie schon jetzt in Vergessenheit geraten sind. Vergessen sind auch die Lohneinbußen, die eingeschränkten Arbeitsbedingungen, die Inanspruchnahme privater Arbeitsmittel, die Mehrfachbelastungen insbesondere von Frauen und die Gesundheitsgefährdung, die mit der Ausübung vieler Berufe massiv verbunden war. Wer diese Vorschussleistungen der Arbeitnehmer:innen nicht anerkennen will und ihnen jetzt auch noch die Inflationsabgeltung strittig macht, hat das Recht auf Ausübung einer politischen Verantwortung verwirkt.

 

 

Wir sind unabhängig und sprechen Klartext:

 

Bei den anstehenden Lohnverhandlungen kann es nicht darum gehen, ob der Wert der rollierenden Inflation überhaupt zu erreichen ist, sondern in welcher Höhe der zusätzliche Anteil der Arbeitnehmer:innen an der gesamtwirtschaftlichen Arbeitsproduktivität ausfallen muss.

 

 

 

Stefan Schön
Pressesprecher

 

 


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