Kettenverträge von 14 und mehr Jahren? Unzumutbar!
EUGH: Kettenverträge sind ungültiges Provisorium
Mit dem Urteil C-274/18 des Europäische Gerichtshofes entstand für den österreichischen Gesetzgeber dringender Handlungsbedarf, die Zulässigkeit von Kettenverträgen an den Universitäten neu zu regeln.
Der Nationalrat beschloss die sozialpartnerschaftliche Einbindung der Gewerkschaft öffentlicher Dienst in die Verhandlungen über diese Rechtsmaterie. Bereits im Frühjahr begann deshalb die Universitätsgewerkschaft mit der Ausarbeitung von Zielsetzungen bei der Novellierung des § 109 Universitätsgesetz unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Grundsätze. Im Mittelpunkt stand die beabsichtigte Trendwende vom Wildwuchs mehrfach befristeter Arbeitsverträge hin zum Regelfall des unbefristeten Arbeitsvertrags.
ULV-UG gegen Existenzangst: Befristung nur als Ausnahme
Befristungen sollten auf zeitlich überschaubare Phasen und sachlich gerechtfertigte Ausnahmetatbestände eingegrenzt werden. Diese Absicht war von dem Leitgedanken getragen, dass unüberschaubar verkettete prekäre Arbeitsverhältnisse einer größeren Anzahl von Laufbahnstellen weichen sollten.
Wir erarbeiteten einen Novellierungsvorschlag mit sechs Jahren Befristungsgrenze und einmaliger Ausdehnung auf acht Jahre zur Fertigstellung von Projekten aus Drittmitteln. Beschäftigungszeiten als studentische Mitarbeiter*innen sollten unberücksichtigt bleiben.
Dieser klare, schlanke Regelungsvorschlag hätte einen Weg hin zur Normalität des privatrechtlichen Arbeitsrechts bedeutet – immerhin waren die Universitäten vor 16 Jahren in die Autonomie mit eigener Rechtspersönlichkeit geschickt worden. In einer Gesprächsrunde mit dem Ministerium wurde von unserer Seite auch darauf hingewiesen, dass selbst im öffentlich-rechtlichen Bereich eine Novellierung des Vertragsbedienstetengesetzes unlängst dazu geführt hatte, dass die Obergrenze für Befristungen beim Lehrpersonal im sekundären Bildungsbereich auf fünf Jahre reduziert wurde.
Ministerium verlängert (!) Provisorium
Die weiteren Gesprächsrunden mit der Arbeitgeberseite und dem Ministerium ließen jedoch die Absicht erkennen, Einzeltatbestände im Gesetz zu normieren, welche die Zulässigkeit von Kettenverträgen bis deutlich über das derzeit geltende Maß hinaus erlauben sollten. Die Universitätsgewerkschaft hat sich auch mit dieser Variante auseinandergesetzt und einen Kompromissvorschlag erarbeitet, der für Lektor*innen, Drittmittelbeschäftigte und Ersatzkräfte eine akzeptable Mehrfachbefristung bis zu einer Gesamtdauer von sechs Jahren – und damit zu einer Verkürzung der „Probe- und Wartezeit“ bis zur Entfristung – geführt hätte. Wir hätten diese Position als kompatibel zu Aussagen des Bundesministers und der Vorsitzenden der Universitätenkonferenz erachtet, wonach verhindert werden soll, dass Kettenverträge zu lange vergeben werden und eine Universität sich irgendwann entscheiden müsse, ob sie eine*n erprobte*n Mitarbeiter*in anstellen will oder nicht.
Überraschender Weise wurde dieser Gedanke von Seiten des Ministeriums verworfen und der Universitätsgewerkschaft stattdessen ein spartanischer Vorschlag unterbreitet, der nach weiterer Überarbeitung letztlich unter Anwendung aller Sonderregelungen zu Kettenverträgen von 14 und mehr Jahren führen würde. Dieses Ansinnen kann dem wissenschaftlichen und künstlerischen Personal sicherlich nicht zugemutet werden und eine Zustimmung der Universitätsgewerkschaft wird es dazu nicht geben.
ULV-UG: Gute Verträge für wertvolle Arbeit!
Wir vertreten die Position, dass Österreichs Universitäten als verantwortungsvolle Arbeitgeberinnen ihrem Personal Beschäftigungsverhältnisse gewähren müssen, die der herausragenden Fachkompetenz dieser Personen entsprechen, ihnen adäquate Karrieremöglichkeiten bieten und ein Mindestmaß an Familien- und Lebensplanung ermöglichen müssen.
Forderungskatalog der Universitäten
Schneller studieren?
Aus für Studis mit Job und Familie? Nur die Schnellsten dürfen studieren? Neue Uni statt Problemlösung
Der Lohn an Universitäten
Unis im Lockdown: Eigeninitiative, Improvisationskunst und Arbeitszeitüberschreitungen ohne Aufwandersatz
Stefan Schön
Pressesprecher des Verbands des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an den österreichischen Universitäten (ULV)
Vorsitzender des Betriebsrats für das wissenschaftliche und künstlerische Universitätspersonal
Stv. Vorsitzender der Universitätsgewerkschaft, wissenschaftliches und künstlerisches Personal der Gewerkschaft öffentlicher Dienst (GÖD)
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