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Über den Stand der aktuellen Gehaltsabschlüsse im Lichte der österreichischen innenpolitischen Situation und der Weltpolitik

Wir müssen unsere Arbeitnehmer:innenrechte bewahren und verteidigen. Nicht nur Leistung, sondern vor allem ehrliche Arbeit muss sich lohnen und entlohnt werden.

Ein Mann am Schreibtisch sieht nachdenklich nach oben

Kürzlich hat der ÖGB den Stand der Herbstlohnrunde 2024 zusammengefasst. Je nach Berechnungsmethode für die laufenden bzw. kürzlich erfolgreich abgeschlossenen Gehaltsverhandlungen lag die durchschnittliche, „rollierende“ Inflation zwischen 3,5 und knapp unter 4%, was als Messlatte dafür dient, ob man Gehaltsabschlüsse als erfolgreich betrachten kann, oder nicht. Nach den bisherigen Ergebnissen, werden die österreichischen Arbeitnehmer:innen 2025 im Durchschnitt 3,76% mehr Lohn erhalten. Dieser Wert liegt ziemlich genau im Bereich der abgerechneten durchschnittlichen Inflation. Das reicht, um vom Erhalt der Kaufkraft sprechen zu können, nicht aber von einer Steigerung.

 


Kaufkraft

 

Um zumindest annähernd von Kaufkrafterhalt für die öffentlich Bediensteten sprechen zu können, bedurfte es des arithmetischen Kunstgriffs eines Zweijahres-Abschlusses, mit dem für heuer das fehlende Minus von 0,3% auf die Durchschnittsinflation mit dem entsprechenden Plus von 0,3% für 2026 über den Zweijahreszeitraum betrachtet quasi gegengerechnet wird. Für die Beschäftigten im Handel hat man übrigens eine ähnliche Vereinbarung erreichen können. Dennoch liegen der Handel mit 3,3% und der öffentliche Dienst mit 3,5% für 2025 im nicht besonders wertschätzenden Bereich des Kaufkraftverlustes, der mit dem versprochenen prozentuellen Ausgleich 2026 nicht vollständig aufgewogen werden kann.

 

 

Neiddebatten

 

Eine besondere Betrachtung verdient der öffentliche Dienst auch insofern, als nur für diesen Bereich die Lohnzurückhaltung bis hin zur Nulllohnrunde aus mehreren politischen Ecken gefordert wurde. Die Besonderheit liegt darin, dass unhinterfragt Kausalitäten hergestellt wurden, die schlicht unzutreffend sind. Wenn – wie behauptet – hohe Lohnneben- und Lohnstückkosten für Wettbewerbsnachteile von österreichischen Betrieben verantwortlich wären, was würde eine Nulllohnrunde der öffentlich Bediensteten daran ändern? Auch die ins Spiel gebrachte, vermeintliche Jobgarantie im öffentlichen Dienst, die mit Lohnverzicht aufzuwiegen sei, war nichts als ein Aufwärmversuch für altbackene Neiddebatten. Zum wiederholten Mal: Es gibt den besonderen Kündigungsschutz für Vertragsbedienstete nicht, sondern nur für wenige Beamte, wie z. B. Richter:innen und Staatsanwält:innen, und das zu Recht, wie sich an Hand einiger skandalöser Vorfälle im Bereich der Justiz in den vergangenen Jahren gezeigt hat.

 

 


Schuldzuweisung

 

Doch auch in den Branchen der Privatwirtschaft bemächtigen sich viele wirtschaftspolitische Player einer Schuldzuweisungspolitik, welche Kausalzusammenhänge ignoriert und Verantwortungsebenen willkürlich vermengt. Man kann nicht oft genug betonen, dass die aktuell wieder ständig gescholtenen Lohnnebenkosten für die Aufrechterhaltung gesundheitlicher Standards, sowie jener der Altersversorgung unerlässlich sind und kein Spielball des wirtschaftlichen Wettbewerbs. Außerdem ist es geradezu kindisch, sich Arbeitnehmer:innen zu wünschen, die 24 Stunden am Tag arbeiten, Lohnzurückhaltung üben und erst mit 70 Jahren in Pension gehen. Die Finanzierung der Pensionen wäre übrigens ein deutlich kleineres Problem, wenn sich die Lohnabschlüsse für 2025 an der Pensionsvalorisierung orientieren würden und nicht (nur) an der rollierenden Inflation. Die Wettbewerbsfähigkeit wiederum wäre am besten dadurch gesichert, wenn Österreichs qualifizierte Arbeitskräfte mit wenigstens wirtschaftlich (!) fairem Lohn und mit Verlass auf ein gutes soziales Netz ihrer Arbeit nachgehen könnten. Ihnen kann man nicht den Vorwurf machen, dass sich Verantwortliche auf höchsten Managementebenen monate- und jahrelang von Betrügern blenden haben lassen und eine Schneise von Geschädigten und Ruinierten verursachen und hinterlassen.

 

 

Von Wirecard bis Signa

 

Wirecard ist die größte wirtschaftliche Pleite Deutschlands seit Ende des 2. Weltkriegs und ein Österreicher sitzt in U-Haft, während der zweite per internationalem Haftbefehl gesucht wird. Der Gründer des Unternehmensimperiums Signa ist seit 2014 vorbestraft[1] (inzwischen getilgt) und verfügte bei seinem ruinösen wirtschaftlichen Rundumschlag über die persönliche Unterstützung des österreichischen Bundeskanzlers. Gegen ihn liegt ein in Italien ausgestellter Haftbefehl vor, der von Österreich nicht vollzogen wird. Sind das die vertrauensbildenden wirtschaftlichen Maßnahmen zu Erhöhung der Reputation von Österreichs Wirtschaft im weltweiten Wettbewerb?

 



[1] OGH 17Os13/14m

 

 


Rechtsschutz

 

Viele Arbeitnehmer:innen brauchen eigentlich einen ordentlichen finanziellen Polster, um sich die Verteidigung ihrer Rechte in diversen Konkursverfahren leisten zu können, oder um ihre arbeitsrechtlichen Ansprüche durchsetzen zu können, z. B. auf Auszahlung ihrer Überstunden. Die im Nationalrat vertretene Partei der NEOS hat in den letzten Monaten wiederholt die Sonderzahlungen des 13. Und 14. Monatsgehalts als unzeitgemäß bezeichnet. Diese Form der Begünstigung sei „unnötig kompliziert und im internationalen Vergleich absolut unüblich“. Gleichzeitig behaupten sie, dass sich Arbeitnehmer:innen bei Kürzung der Lohnnebenkosten um 6,55% den Spielraum für Nettolöhne „wie ein 15. Gehalt“ verschaffen könnten und damit gleich die Inflation dämpfen könnten. Insgesamt daher: Minus 13 minus 14 plus 15 = nur mehr 13 Gehälter. Rechnen lohnt sich? Die NEOS haben im Parlament gegen die gesetzliche Festlegung des Gehaltsabschlusses für den öffentlichen Dienst gestimmt. NEOS und FPÖ treffen sich übrigens in der Forderung nach Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft bei der Arbeiterkammer mit der Konsequenz, dass es mit der Rechtsschutzversicherung für alle Arbeitnehmer:innen vorbei wäre.

 

 

Was wir daraus lernen?

 

Wir müssen unsere Arbeitnehmer:innenrechte bewahren und verteidigen und uns gegen Polemik wehren, sowie dagegen, dass wir im Kollektiv für exorbitante Kosten, die von unverantwortlich handelnden Personen verursacht werden, aufkommen müssen. Nicht nur Leistung, sondern vor allem ehrliche Arbeit muss sich lohnen und entlohnt werden. Die Sozialpartnerschaft ist gerade wieder einmal dabei, ihre Bewährungsprobe erfolgreich zu absolvieren. Sie hat das schon während der Pandemie bewiesen und ist im Begriff diesen Beweis in einer Phase politischer Irrungen und Verwirrungen zu wiederholen. Höchste Zeit, dass die Politik ihr, der Sozialpartnerschaft, folgt.

 

 

Stefan Schön

UGÖD Pressesprecher