Stellungnahme der UGÖD zum Regierungsprogramm
Wir nehmen Stellung zu den Themen:
- UPDATE: Arbeitsrecht
- Menschen mit Behinderung
- Landesverteidigung
- Justiz
- Wissenschaft und Forschung
- Schule und Bildung
- Kunst und Kultur
- Frauen
Einleitende Worte
von Manfred Walter
Wir haben also nun wieder eine „gewählte“ Regierung. Die Erwartungshaltungen, die Hoffnungen der WählerInnen, waren um einiges höher als noch vor zwei Jahren. Es wurde ein Regierungsprogramm mit größerem Augenmerk auf soziale Angelegenheiten, mit mehr Schwerpunkten zur Verbesserung der Situation der unselbständig Erwerbstätigen erhofft.
Wurden diese Hoffnungen auch erfüllt? Unsere ExpertInnen von der UGÖD haben ihre Fachbereiche genauer unter die Lupe genommen.
Arbeitsrecht
von Vera Koller
Das ganze Kapitel Arbeit besticht leider insgesamt eher durch die Themen, die nicht enthalten sind, als durch die Punkte, zu denen es konkrete Vereinbarungen gibt. Schon die Kürze dieses Kapitels (es umfasst nicht einmal 5 Seiten) zeigt, dass die türkis/grünen VerhandlerInnen in diesem Bereich wohl wenig Gemeinsamkeiten gefunden haben. Aus gewerkschaftlicher Sicht sehr zu begrüßen ist das klare Bekenntnis zur Sozialpartnerschaft. Nach Jahren der Ignoranz von Seiten einer türkis/blauen Regierung ist zu hoffen, dass die Sozialpartner wieder mehr Gehör finden und auch in Begutachtungsprozesse eingebunden werden. Dies würde meiner Meinung nach dazu beitragen, dass neue gesetzliche Regelungen praxistauglich und rechtmäßig sind und nicht durch unklare Formulierungen erst recht wieder dazu führen, dass es einer gerichtlichen Überprüfung bedarf.
Leider nicht enthalten sind Vereinbarungen zur Zurücknahme des 12-Stunden-Tages bzw. der 60-Stunden-Woche. Auch wenn die Beschäftigten selbst die Zurücknahme angeblich gar nicht mehr fordern und mit dieser Ausweitung der Arbeitszeit einverstanden sind, wäre es aus gesundheitspolitischer Sicht notwendig, verpflichtende Ausgleichsmaßnahmen vorzusehen. Dabei muss es im Sinn des arbeitsrechtlichen Schutzcharakters egal sein, inwieweit Beschäftigte diese Ausdehnung begrüßen, sich daran gewöhnt haben oder sich aufgrund ihrer Situation nicht wehren können.
Zahlreiche Studien belegen, dass mit langen Arbeitstagen auch notwendige Erholungszeiträume länger werden. In Zeiten von steigenden Zahlen psychischer Erkrankungen, der Jobflucht aufgrund von extrem belastenden Arbeitssituationen (wie z. B. im Pflege- und Sozialbereich) wäre es dringend geboten gewesen, ein gesamtes Paket zum Thema Arbeitszeit, Arbeitsbelastungen, Erholungszeiten zu schnüren. Es wäre bei Nichtrücknahme des 12-Stunden-Tages bzw. der 60-Stunden-Woche notwendig gewesen, klare Ansprüche auf eine 4 Tagewoche, längere Freizeitblöcke, eine generelle Arbeitszeitverkürzung im Regierungsprogramm vorzusehen. Die einzelnen Punkte, die dazu im Regierungsübereinkommen angeführt sind, wie die Einführung eines Zeitwertkontos, Zeitkorridor-Modelle bei Elternteilzeit und Sabbatical-Modelle sind grundsätzlich zu begrüßen. Solange jedoch das Vorhandensein eines Pakets bzw. die Ausrichtung der Modelle nicht klar ist, kann die Treffsicherheit dieser einzelnen Maßnahmen nicht beurteilt werden.
Die Ansiedelung der Arbeitsagenden im Ministerium für Arbeit, Familie und Jugend, welchem die türkise Ministerin Christine Aschbacher vorsteht, lässt leider befürchten, dass weitere Verhandlungen zu dieser Thematik extrem schwierig werden.
Menschen mit Behinderung
von Manfred Pacak
Man merkt beim Überfliegen der Schwerpunkte für Menschen mit Behinderung deutlich Akzente, die vermuten lassen, dass es in Österreich eine moderne Behindertenpolitik geben wird. Die Ansätze im Bereich Inklusion, dem Bestreben der intensiven Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, lassen Gutes hoffen.
Besonders begrüßenswert ist die geplante Inklusion im Bildungsbereich, die jedem Menschen mit Behinderung freien Zugang zu allen Bildungsbereichen ermöglichen soll. Angesprochen werden: Abbau von Barrieren, besserer Zugang zu Informationen, Leistung, Beratung und Betreuung. Das ist eine Trendwende, weg von einer Isolierung in Sonderschulen hin zu einem Regelunterricht gemeinsam mit nicht behinderten Kindern.
Ebenfalls erfreulich ist, dass endlich Menschen mit Behinderung in Tageswerkstätten einen Lohn und kein Taschengeld erhalten sollen. Ein selbstbestimmtes Leben soll für Menschen mit Behinderung sichergestellt werden.
Landesverteidigung
von Ingo Hackl
Das „Regierungsprogramm 2020 – 2024“ ist ein Schwanengesang für das Bundesheer, mithin eine Fortschreibung seiner Lebensgeschichte, welche bereits in den ersten Minuten seiner „Existenz“ in der 2. Republik eine Geschichte der Mangelwirtschaft war. Es begann vor vielen Jahren mit der Überlassung von Material, das nicht mehr gebraucht wurde und zu teuer für den Abtransport gewesen wäre. Damit wurden dem Bundesheer und der militärischen Landesverteidigung von Beginn an die Grundsteine der Minderschätzung gelegt. Es darf halt nichts kosten, soll aber natürlich alles abdecken und alles können.
Dieses Regierungsprogramm ist einzig und allein in einem Punkt konsequent, nämlich in der Tatsache, dass einer ständig wachsenden Zahl an (neuen) Aufgaben konsequent mit personeller und finanzieller Unterdotierung begegnet wird. Alte und neue Aufgaben benötigen zu ihrer Lösung hochwertige Ausrüstung und bestausgebildetes Personal, beides würde etwas kosten: Cyber Defense, Drohnenabwehr, internationale Aufgaben, mindestens 1.100 SoldatInnen als Dauerleistung für Auslandseinsätze und sogar eine „Schule der Nation“ (Werte, Verantwortung gegenüber Totalitarismus, Rassismus).
Da dieses Kapitel bereits den Namen „Landesverteidigung und Krisen- und Katastrophenschutz“ trägt, wird unter den derzeitigen Gegebenheiten die Landesverteidigung zur bewaffneten Feuer- und Katastrophenwehr umfunktioniert und alle Beschaffungen werden einzig und allein unter dem Gesichtspunkt ihrer Verwendbarkeit für den Krisen- und Katastrophenschutz genehmigt ... und vielleicht sogar durchgeführt werden.
Justiz
von Sandra Gaupmann
Das Kapitel „Justiz/Strafvollzug“ im vorliegenden Regierungsprogramm ist für die unabhängigen GewerkschafterInnen im Bereich der zivilen Bediensteten an Justizanstalten zufriedenstellend. Einige auch von der UGöD bereits seit langem geforderten Reformen und Ziele finden endlich eine Niederschrift: mehr Transparenz im öffentlichen Dienst, Abschaffung des Amtsgeheimnisses und der Amtsverschwiegenheit, Gewährleistung der notwendigen und zeitgemäßen Sicherheitsstandards, Resozialisierung der Inhaftierten, Sicherung des exekutiven und nichtexekutiven Personalstandes, Korruptionsbekämpfung, Modernisierung des Strafvollzuges und eine Reform des Maßnahmenvollzuges.
Auch wenn einige Punkte kritisch zu betrachten sind, wie das Entlassungsprocedere von Maßnahmenuntergebrachten bzw. die „Sicherungsverwahrung“ (wobei davon ausgegangen werden kann, dass bei einer Nichtverfassungsänderung diese Sicherungsverwahrung nicht verfassungskonform sein kann und somit nicht umsetzbar ist) ist das Kapitel „Justiz/Strafvollzug“ in diesem Regierungsprogramm im Gegensatz zu dem von Türkis-Blau 2017 ein wahrer Lichtblick.
Wünschenswert wäre zudem noch, dass die WKStA (Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft) völlig weisungsfrei gestellt wird. Ein spezieller Fokus sollte auch auf den Jugendvollzug gelegt werden, wie die Wiedereinführung des Jugendgerichtshofes, andere Sanktionsmöglichkeiten als Strafhaft und den Ausbau von Jugendpsychiatrien zur Prävention. Zudem braucht es Forensik-Lehrstühle zum Ausmerzen der Schwächen im Gutachterwesen, ein modernes Personalmanagement und diesbezüglichen Personaleinsatz (bspw. Verstärkung Verwaltungsbedienstete in der Verwaltung, Justizwache für exekutive Tätigkeiten, neue Dienstzeitmodelle).
Jetzt können wir nur noch auf eine baldige Umsetzung der positiven Aspekte hoffen und einer Entwicklung in Richtung eines progressiven Strafvollzuges entgegensehen.
Wissenschaft und Forschung
von Laura Sturzeis und Marion Polaschek
Positiv fällt auf, dass es sich bei „Wissenschaft und Forschung“ um ein sehr umfangreiches Kapitel handelt und auch viele aktuelle Probleme adressiert werden, wie Ausfinanzierung, Kettenvertragsregel aber auch Teilzeitstudium für Berufstätige. Auch dass die Hochschulverwaltung weiterentwickelt werden soll, lässt hoffen.
Finanzierung:
Die mittelfristige Sicherstellung eines ausreichenden Uni-Budgets bis 2027 auf Basis der bereits in der letzten LV-Periode angewendeten ‚Universitätsfinanzierung NEU‘ ist jedenfalls zu begrüßen, v.a. da sie über die Kürze der bisherigen 3-jährigen Leistungsvereinbarungsperioden hinausgeht und damit eine längerfristige Planung auf Ebene der Universitäten und gesamtuniversitär in Österreich möglich macht. Hier sollte aber darauf geachtet werden, dass genügend Spielraum für nötige Adaptionen bleibt, wenn diese auf Basis der Ergebnisse der ersten ‚Universitätsfinanzierung NEU‘ notwendig erscheinen. Zur Erinnerung: Die Unifinanzierung neu wurde als ‚kapazitätsorientierte, studierendenbezogene Universitätsfinanzierung‘ deklariert, was heißt, dass der Erfüllung konkreter Zielwerte (insb. bei der Anzahl prüfungsaktiver Studierender und der Anzahl wissenschaftlichen Personals) für die Finanzierung der einzelnen Hochschule von unmittelbarer Relevanz ist.
Kettenvertragsregel:
Dass diese zu reformieren ist, steht seit den EuGH-Urteilen fest. Wichtig ist, dass hier auch tatsächlich die ‚soziale Lage der Betroffenen‘, wie im Regierungsprogramm (S. 305) angeführt, in die Ausgestaltung der Neuregelung gewichtig Eingang findet.
Kritisch gesehen wird die angedachte Reform universitätsinterner Entscheidungsstrukturen, gemäß denen das Verhältnis der drei Leitungsgremien Universitätsrat, Rektorat und Senat überdacht werden soll. So es zu Reformen kommt, sollten diese die Mitbestimmungsmöglichkeiten aller Universitätsangehörigen stärken, anstatt einer stärkeren Hierarchisierung Vorschub zu leisten. Dezidiert zu begrüßen ist der Miteinbezug der öffentlichen Hochschulen in die Österreichstrategie zum Standort- und Klimaschutz. Um das Rad in zeitlich dringlichen Angelegenheiten des Klima- und Umweltschutzes nicht überall neu zu erfinden, sollte hierbei auf die Einbindung bereits existierender Netzwerke (Allianz nachhaltige Universitäten, Uninetz) geachtet werden.
Evaluierung der dienstrechtlichen Kategorien und Karriereentwicklung:
Hier muss auf jeden Fall darauf geachtet werden, dass der Bereich Hochschuladministration und Support mitbetrachtet wird. Schon jetzt gibt es große Probleme gutes und qualifiziertes Personal für die SpezialistInnentätigkeiten zu finden. Interne Karrierewege sind aufgrund der zwingenden Ausschreibeverpflichtung im §107 UG (Universitätsgesetz) von allen neuen Stellen für das allgemeine Personal immer schwerer zu finden. Die Universität ist nicht nur ein Arbeitsplatz für Forschende und Lehrende – sie ist ein hochspezialisiertes Wissensunternehmen und muss auch danach trachten das Know How im Admin- und Support-Bereich auszubauen und zu erhalten. Hier könnte auch eine Qualitätsoffensive im Bereich der Lehre einen großen Beitrag leisten und gleichzeitig gesellschaftspolitische Zeichen setzen.
Schule und Bildung
von Renate Brunnbauer und Timo Brunnbauer
Was steht nun im Bildungsprogramm? Und was nicht?
Auf 16 Seiten geht es um die Bereiche Elementarpädagogik, Volksschule, Mittelschule und Lehrplaninhalte. Interessant ist natürlich auch, was nicht im Bildungsprogramm der neuen Regierung steht. Wichtige Reformen wird es in der nächsten Legislaturperiode nämlich kaum geben, im APS (Allgemeinbildende Pflichtschulen) Bereich im Grunde gar keine. Absolut ungeklärt sind Finanzierungsvorhaben.
Wird die Elementarpädagogik aufgewertet?
Ja. Plan ist es, dass LeiterInnen der Kindergärten einen universitären Abschluss erlangen sollen über Bachelorstudien an den PHs (Pädagogischen Hochschulen). Die BAfEPs (Bildungsanstalten für Elementarpädagogik) bleiben allerdings in ihrer jetzigen Form erhalten. Zudem will sich der Bund stärker in den Ausbau der Kindergärten einmischen. Diese Punkte sind aber nicht wirklich neu: schon im Türkis-Blauen Regierungsprogramm 2017 waren sie so zu finden.
Mit den Grünen wird es sicher keine Fortführung der Deutschklassen geben, oder?
Doch, die bleiben bestehen. Allerdings soll es verstärkt zu schulautonomen Lösungen kommen. Wie diese aussehen, ist nicht genau ausgeführt. Die Deutschförderung soll auch für ordentliche SchülerInnen ausgebaut werden. Das ist an sich wünschenswert, nur: Mit welchen finanziellen Mitteln und ob dies zu Lasten jetziger Kontingente der Schulen geht, bleibt unbeantwortet. Künftige LehramtsstudentInnen müssen in ihrem Studium eine DaZ-Ausbildung (Deutsch als Zweitsprache) machen. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, die Deutschklassen als solche stehen seit ihrer Einführung in der Kritik (selbst bei FCG-VertreterInnen). Wir fordern schon lange: Die Deutschklassen müssen ersatzlos gestrichen werden!
Werden LehrerInnen künftig entlastet?
Vielleicht und eher nein. Es wird im Bildungsprogramm zwar von Supportpersonal gesprochen, doch ist nicht im Detail ausgeführt, was damit gemeint ist: SozialarbeiterInnen, PsychologInnen oder SekretärInnen? Wie viele und ab wann?
Sehr wohl gibt es eine Neuerung, die eine Mehrarbeit für die PädagogInnen bedeuten wird:
Eine "Mittlere Reife Prüfung" soll in der 9. Schulstufe implementiert werden. Wird diese nicht bestanden, dürfen die Kinder die Schule nicht verlassen, sondern müssen ihre Ausbildungspflicht in den Schulen absolvieren. Es wurde im Regierungsprogramm allerdings darauf vergessen zu erwähnen, welche Institutionen dann mit diesen SchülerInnen die mittlere Reife erarbeiten sollen: Bleiben diese Kinder dann bis zum 18. Lebensjahr in den vierten Klassen der MS oder in den Polytechnischen Schulen? Und bedeutet diese Lösung also die vor Kurzem eingeführte Ausbildungspflicht in der Umsetzung?
Wird die österreichische Schule digital?
Ja, ab der 5. Schulstufe gibt es Tablets oder Laptops für die Kinder. Allerdings müssen die Eltern (mit Unterstützung des Staates) da kräftig mitzahlen. Das wird Anbieter freuen, da spült es mächtig Geld in die Kassen von Apple und Co.
Noten in der Volksschule – das wurde sicher zurückgenommen?!?
Eine große Enttäuschung: Die Notenpflicht ab der 2. Klasse Volksschule bleibt. Es wird sogar der Druck auf die Kinder zunehmen. Denn über die Gymnasialreife der Kleinen werden künftig zusätzlich die Leistungen der 3. Klasse und eine individualisierte Kompetenzfeststellung in der 3. Schulstufe mitentscheidend sein.
Wird der Chancenindex der Arbeiterkammer kommen?
Nein. Eine sehr große Enttäuschung ist es, dass die schwierigen Standorte weiterhin im Regen stehen gelassen werden. Es soll zwar an 100 „Brennpunktschulen“ der Chancenindex der AK ausprobiert werden, doch das ist wohl viel zu wenig. In Österreich gibt es über 5000 Pflichtschulen! Und an 100 von ihnen wird evaluiert werden, ob es den Chancenindex braucht oder nicht. Da sehen wir von grüner Handschrift herzlich wenig.
Vorarlberg möchte Modellregion für die Gemeinsame Schule werden. Wann geht es jetzt los?
Eventuell nach 2024, denn im Regierungsprogramm wird von einer Gemeinsamen Schule an keiner Stelle gesprochen. Das segregierende Schulwesen wird festgeschrieben. Auch hier ist leider von grüner Handschrift nichts zu sehen. Interessant, denn im Ländle regiert ja eine schwarz-grüne Landesregierung, die gerne eine Modellregion installieren würde.
Welche Neuerungen sind noch in Sicht?
Ein Bonussystem für höhere Schulen, die Nachprüfungen in der letzten Ferienwoche durchführen wollen, ist im Gespräch. Die Schulausspeisung soll besser werden – mehr regional, mehr bio – und Schulneubauten sollen ökologisch auf dem neuesten Stand der Technik sein. Von der täglichen Turnstunde in Zusammenarbeit mit örtlichen Sportvereinen ist die Rede, diese Forderung gab es schon, doch derartige Kooperationen funktionierten oft nicht. Die duale Ausbildung soll verbessert und die Rolle der Polytechnischen Schule verändert, eventuell gestärkt werden. Allerdings werden auch die Berufsbildenden Mittleren Schulen gefördert, die ja ihre eigentliche Bedeutung als Weg neben der Lehre einen Beruf zu erlernen längst verloren haben.
Zusammengefasst: Was wird uns erwarten?
Eine Neuerung wird die Bildungspflicht und die damit verbundene Mittlere Reife darstellen. Statt weniger „Testeritis“ wird es dadurch mehr geben. Die Trennung der Kinder ab der 5. Schulstufe bleibt bestehen, wird nicht einmal mehr hinterfragt. Ebenso gibt es kein Bekenntnis zur Inklusion – immerhin ist der Ausbau der Sonderschulen kein Thema mehr.
Positiv: Von Time Out Klassen für schwierige SchülerInnen ist so nicht mehr die Rede.
Vielmehr wird von standortbezogenen Lösungen bzw. auch Supportpersonal gesprochen – jedoch wieder ohne einen Ansatz einer zukünftigen Finanzierung derartiger Arbeitsplätze.
QuereinsteigerInnen soll es leichter gemacht werden, in den Schuldienst einzutreten. Verständlich, es steht ein massiver LehrerInnenmangel bevor.
Detaillierter geht es HIER zur Sache:
https://www.oeliug.at/2020/01/07/zum-bildungsprogramm-von-t%C3%BCrkis-gr%C3%BCn/
Kunst und Kultur
von Beate Neunteufel-Zechner
Zum Kapitel „Kunst und Kultur“ im Regierungsprogramm ist zu sagen, dass es einerseits ambitionierte Ziele anspricht, jedoch andererseits kaum Lösungsansätze sichtbar werden.
Wenn die „Eigentümervertreterverantwortung“ für die Österreichischen Bundesmuseen und die Österreichische Nationalbibliothek ernst genommen wird, muss aus demokratischer Sicht zuerst ein gemeinsamer Kollektivvertrag errichtet werden, auch wenn damit nach mehr als 20 Jahren seit der Ausgliederung eine finanzielle Anpassung und Erhöhung der Basisabgeltungen verbunden ist. Alle anderen Forderungen der Regierung an diesen Bereich der Kulturarbeit sind nachvollziehbar auf einem guten Weg und zu einem guten Teil sogar schon umgesetzt.
Prüfen, stärken, ausbauen und weiterentwickeln sind hervorstechende Schlagwörter im Kulturbereich.
Das Österreichische Staatsarchiv, das Bundesdenkmalamt, die österreichischen Kultursender ORF III, Ö1 und FM4, die Musikschulen und Kunstuniversitäten, die österreichischen Gedenkstätten und vermutlich auch das Haus der Geschichte Österreich dürfen mit Veränderungen rechnen. Wie sich diese auf die einzelnen Organisationen auswirken werden, bleibt völlig offen. Förderungen, Preise, Stipendien und Wettbewerbe zu evaluieren und künftig die Vergabe transparent zu gestalten war immer wieder Ziel in Regierungsprogrammen und scheiterte meistens an den schlecht vernetzten Interessenvertretungen im Kulturbereich.
Viele KulturarbeiterInnen profitieren von internationaler und EU-weiter Vernetzung, dennoch ist das Leben Kulturschaffender in Österreich überwiegend prekär. Daher müssen existenzsichernde Maßnahmen nicht nur geprüft, sondern umgesetzt werden.
„Fairpay“ zunächst auf Bundesebene zu verwirklichen, kann eine Vorbildwirkung auf Länder und Gemeinden ausüben. Drittmittelakquise wünschen sich die Beteiligten an der Regierung für viele Bereiche der Kunst & Kultur in Österreich und eine Verquickung von Forschungsförderung mit Start-Up-Förderung und Kulturförderungen. Da kann eigentlich nur eine Transparenzdatenbank der Republik Österreich am Beginn aller Digitalisierung stehen.
Frauen
von Laura Sturzeis
Das recht schmal gehaltene Kapitel enthält wenig Neues bzw. Konkretes. Positiv hervorzuheben ist, dass die europaweit durchgeführte Zeitverwendungserhebung in Österreich nun doch durchgeführt wird. Wichtig ist, dass nach Bekanntwerden der Ergebnisse auch entsprechende Maßnahmen erlassen werden, die die Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen fördern.
Des Weiteren ist die 40% -Quote für Aufsichtsrätinnen in Unternehmen der öffentlichen Hand festgeschrieben, was einen Schritt in die richtige Richtung darstellt. Weiters zu begrüßen sind geplante Infokampagnen, die Frauen stärker sensibilisieren sollen für die Auswirkungen von Teilzeit auf die soziale Absicherung in Arbeitslosigkeit und Alter – ein Punkt, der bisher von der Politik unter den Teppich gekehrt wurde, um stattdessen das positive Bild des 1,5-Verdienermodells (Mann Vollzeit, Frau Teilzeit) zu zeichnen.
Abschließende Worte
von Manfred Walter
„Ein Berg hat gekreißt und ein Mäuslein ward geboren“, wäre zu hart, aber knapp dran. Von der in den Medien kritisierten Detailverliebtheit der grünen VerhandlerInnen ist im gesamten Papier nicht viel zu lesen, außer dem Klimakapitel, das doch sehr ausführlich behandelt wird, ist es ein Sammelsurium von Absichtserklärungen und Überschriften. Positiv hervorzuheben sind aber auch einige Punkte im Bereich der Justiz und im Strafvollzug.
Besonders schmerzhaft für uns GewerkschafterInnen ist die fehlende Zurücknahme arbeitnehmerInnenfeindlicher Maßnahmen der vorletzten Regierung und einige Punkte, die unserem Verständnis von menschenrechtsbeachtender Politik diametral widersprechen.
Detailliertere Analysen und Kommentare finden Sie unter anderem auf den Seiten der Fachorganisationen, beziehungsweise werden diese in den nächsten Tagen hier online gestellt.