von Obst Ponemayr Engelbert, MSD
Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser werden wird, wenn es anders wird;
aber so viel kann ich sagen: es muss anders werden, wenn es gut werden soll.
Georg Christoph Lichtenberg
(1742 - 1799; dt. Aphoristiker der Aufklärung)
Status quo seit 1914
Das derzeitige „Dienstrecht“ der „pragmatisierten“ Soldaten basiert in vielen wesentlichen Teilen auf der Dienstpragmatik aus dem Jahr 1914 („Gesetz, betreffend das Dienstverhältnis der Staatsbeamten und der Staatsdienerschaft [Dienstpragmatik]“), welche 1979 in das BDG 1979 übergeführt und seither dutzendfach in einzelnen Bereichen angepasst, jedoch nie in diesem Bereich grundlegend reformiert oder modernisiert wurde.
Darüber hinaus existiert beispielsweise der Bereich der Militär-Vertragspersonen, der bei Unterschieden in sozialrechtlicher und besoldungsmäßiger Hinsicht an das BDG 1979 angelehnt ist. Schließlich gibt es auch noch die „Wehrrechtspersonen“, im Wesentlichen Grundwehrdiener und Milizsoldatinnen und -soldaten, die u.a. „dienstrechtlich“ (auch) dem Heeresdisziplinargesetz (HDG 2014) und „besoldungsrechtlich“ dem Heeres-Gebührengesetz (HGG 2001) unterliegen.
Unabhängig von der unbestrittenen Notwendigkeit, vor allem finanzielle (besoldungsrechtliche) Unzulänglichkeiten im bestehenden System zu eliminieren, denke ich, dass ein zeitgemäßes Dienstrecht für Soldatinnen und Soldaten (als Wegbereiter auch für alle anderen Bundes- und Landesbediensteten) erforderlich ist. Dazu einige Eckpfeiler:
Die moderne Bildungslandschaft
Der 1999 europaweit beschlossene Bologna-Prozess verfolgt drei wesentliche Ziele: die Förderung von Mobilität, von internationaler Wettbewerbsfähigkeit und von Beschäftigungsfähigkeit. Dazu gehören nicht nur die Vergleichbarkeit der Bildungsabschlüsse durch die Einführung eines Leistungspunktesystems (ECTS, national NCTS), sondern beispielsweise auch die Förderung des lebenslangen bzw. lebensbegleitenden Lernens.
Dass ein Dienstrecht, welches nach der Ablegung einer Dienstprüfung (auf Basis eines formalen Bildungsabschlusses) keine Weiterqualifikation mehr vorsieht, dem Bologna-Prozess nicht gerecht wird, ist wohl evident. Im „Militärischen Dienst“ ist dieser Umstand gegenüber der „Allgemeinen Verwaltung“ zwar bereits verbessert, der Vergleichbarkeit der Bildungsabschlüsse wird aber dennoch nicht Rechnung getragen.
Daher muss ein System geschaffen werden, das – aufbauend auf das lebensbegleitende Lernen – erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten entsprechend würdigt – auch finanziell, d.h. besoldungsrechtlich.
Das Sozialsystem
Das Österreichische Sozialsystem ist auf einer durchaus breiten Basis aufgebaut. Dadurch ist es im Vergleich zu Systemen in anderen Ländern (z.B. Deutschland, wo ein „Opt-out“ teilweise möglich ist) wesentlich resilienter und – beispielsweise bei den Ruhestandsbezügen – viel besser aufgestellt. Allerdings gibt es Soldaten, welche in dieses System nicht voll integriert sind: Grundwehrdiener und (zum Teil) Milizangehörige.
Im jeweils persönlichen Pensionskonto erscheint nämlich der Präsenzdienst als Zeit einer „Teilpflichtversicherung“ auf, wenngleich der junge Staatsbürger diese Zeit nicht aus Jux und Tollerei, sondern in Erfüllung einer staatsbürgerlichen Pflicht beim Bundesheer verbringt.
„UN-Soldaten“ aus der Miliz, die zum Teil in Summe mehr als ein Jahrzehnt in Auslandseinsätzen verbracht haben und dort auf Grund ihrer Erfahrungen einen sehr wertvollen Dienst für die Republik geleistet haben, wurden allenfalls belehrt, dass der Staat für ihren „Sold“ keine Sozialbeiträge abführt (und sie diese allenfalls selbst zu bezahlen haben). Für diese Zeiten war und ist ein Milizsoldat daher nicht sozialversichert.
In diesem Bereich wird ein System zu schaffen sein, in dem sichergestellt ist, dass Zeiten des „Dienstes an der Republik“ auch sozialrechtlich gewürdigt werden – unabhängig davon, in welchem Verhältnis bzw. in welcher dienstrechtlichen Stellung die Soldatin bzw. der Soldat den militärischen Dienst versieht (Grundwehrdiener, Miliztätigkeit, Berufs- oder Zeitsoldat, etc.).
Finanzielle Gerechtigkeit
Das Besoldungssystem der Berufsmilitärpersonen ist (wie jenes der anderen Beamten auch) eigenartig: Eine automatisch regelmäßig steigende Grundbesoldung wird kombiniert mit verwendungsbezogenen und nach Dienstzeit gestaffelten „Zuschlägen“. Das hat die skurrile Auswirkung, dass bei gleicher Funktion, aber unterschiedlichem Dienstalter, der verwendungsbezogene Zuschlag durchaus um rund 1.000 € differieren kann – unabhängig von der tatsächlichen Erfahrung in der Funktion.
Die Truppendienstzulage ist ein nicht in das Grundgehalt eingerechneter Gehaltsbestandteil aller Militärpersonen. Sie richtet sich jedoch nicht nach dem Ausmaß der anteilsmäßigen Belastung durch „Wind und Wetter“ im Dienst sondern nach der Verwendungsgruppe. Damit hat natürlich ein General eine wesentlich höhere Zulage als ein Wachtmeister.
Noch ärger wird es bei den „Wehrrechtspersonen“: Man mutet einem Grundwehrdiener zwar zu, erforderlichenfalls unter Einsatz seines Lebens die Republik, deren Bevölkerung und die verfassungsmäßigen Einrichtungen zu schützen, ist jedoch nicht bereit, ihn dafür entsprechend zu besolden.
Und über die Situation in der Miliz muss eigentlich nach den Erfahrungen anlässlich der Teilmobilmachung 2020 kein Wort mehr verloren werden: Gleiche Funktionen mit gleichen Dienstgraden erhalten, abhängig von der Art der Dienstleistung – Einsatzpräsenzdienst oder Milizfunktion –, teilweise um ein vielfaches unterschiedliche Besoldungen.
Es ist ein Gehaltssystem notwendig, das für alle Soldatinnen und Soldaten eine angemessene und gleiche Bezahlung gewährleistet. Dabei sind allgemeine Zulagen entsprechend der tatsächlichen Belastung in das Grundgehalt einzurechnen. Die Grundgehälter sind in der Steigerung abzuflachen, die Funktionszulagen sind entsprechend der tatsächlichen Erfahrung und Leistung in der Funktion zu gestalten.
Die technische Entwicklung
Heute wird die technische Entwicklung im Militär von der Entwicklung im zivilen Bereich getrieben. Nicht nur im Bereich autonomer Systeme und Künstlicher Intelligenz sondern auch in Gefechtsfahrzeugen, Waffen- und Kommunikationssystemen, Sensoren etc. sind teilweise dutzende Computersysteme verbaut. Dadurch wird zwar die Bedienung und Benutzung einfacher, die Parametrisierung (Programmierung) und Fehlerbehebung ist aber wesentlich schwieriger und erfordert hochqualifizierte Spezialisten. Dabei genügt es nicht, dass diese lediglich im Bereich der „Basisinstandsetzung“ (oberste Instandsetzungsebene) verfügbar sind – sie müssen vor Ort beim Anwender sein, um die Verwendbarkeit des Gerätes möglichst schnell wiederherzustellen.
Das derzeitige System erlaubt es nicht, Soldatinnen und Soldaten zu beschäftigen und adäquat zu bezahlen, die in ihrem Bereich hohe Expertise aufweisen, jedoch nicht zu Führungstätigkeiten herangezogen werden.
Ein neues Dienstrecht muss es ermöglichen, auch „Spezialisten“ ohne (ohnehin nicht erforderliche) Führungsausbildungen zu beschäftigen und adäquat zu besolden.
Das soziale Umfeld
Es wird zukünftig immer wichtiger, die Soldatinnen und Soldaten hinsichtlich ihrer persönlichen Weiterentwicklung zu betreuen. Derzeit sind rund 10% aller Bediensteten in der Personalverwaltung beschäftigt, aber so gut wie niemand nimmt die Aufgabe der Personalentwicklung wahr. Im Zuge der Mitarbeitergespräche kann mangels des „größeren Bildes“ den Soldaten zwar eine konkrete Weiterentwicklung im „eigenen Bereich“ angeboten werden, die längerfristige Begleitung der Laufbahnbilder fehlt völlig. Daher ist den Soldatinnen und Soldaten regelmäßig – aber jedenfalls nach jedem „Karriereschritt“ - eine realistische mittelfristige Laufbahnoption, auch über die eigene Dienststelle hinaus, darzustellen.
Von den Soldatinnen und Soldaten wird darüber hinaus auch eine über das übliche Maß hinausgehende Bereitschaft zur persönlichen Veränderung erwartet – auch über Bundesländergrenzen hinaus (sowie Auslandseinsätze). Eine solche Erwartung müsste aber durch den Dienstgeber auch gerechtfertigt werden: Von der leistbaren „Dienstwohnung“ über die Unterstützung bei der Arbeitssuche von Ehe- oder LebenspartnerInnen bis hin zu geeigneten Betreuungs- und Ausbildungsplätzen für Kinder.
Unser Vorschlag für die Eckpunkte eines neuen Dienstrechts für Soldatinnen und Soldaten:
Alle Soldatinnen und Soldaten sind Bundesbedienstete
So wie „Polizeischüler“ in den Bundesdienst aufgenommen werden, werden auch „Soldatenschüler“ – das sind unsere Grundwehrdiener – aufgenommen. Dabei muss sich das „Gehalt“ am sozialpartnerschaftlich festgelegten Mindesbruttolohn von dzt. rund 1.500 Euro orientieren und um die pauschale Abgeltung der in der Ausbildung vorgesehenen Überstunden erhöht werden.
Wenn man die derzeitige Gesundheitsversorgung beibehalten will, ist zumindest der Pensionsbeitrag (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil) abzuführen. Milizsoldaten sind während ihrer Dienstleistung ebenso in den Bundesdienst aufzunehmen und für die Zeit ihrer Verwendung gleich wie Soldatinnen und Soldaten des „unbefristeten“ Dienststandes in gleicher Verwendung zu besolden. Ein allfälliger Verdienstentgang aus der zivilen Berufstätigkeit wäre zu ersetzen.
Alle Soldatinnen und Soldaten sind während der ersten 10 Jahre ihrer Dienstleistung (unter Einrechnung der Ausbildungsphase Grundwehrdienst bzw. Ausbildungsdienst) als befristete Dienstnehmer zu beschäftigen. 12 bis 24 Monate vor Ablauf dieser 10 Jahre ist ein Laufbahngespräch zu führen, bei dem konkrete Laufbahnoptionen für eine „Zeitlaufbahn“ und eine „Berufslaufbahn“ aufgezeigt werden. Die Entscheidung für eine der angebotenen Laufbahnen erfolgt spätestens 6 Monate vor Ablauf der 10 Jahre; falls die gewählte Laufbahnoption auch Weiterbildungen beinhaltet, hat die Soldatin bzw. der Soldat einen Rechtsanspruch auf deren Absolvierung.
Bei der Bekanntmachung bzw. Ausschreibung zeitlich befristeter Verwendungen, wie zum Beispiel im Militärdiplomatischen Dienst oder anderen Auslandsdienstverwendungen, ist bereits bei der Ausschreibung zumindest eine Folgeverwendung bekannt zu machen. Die konkrete Folgeverwendung ist in einem verpflichtenden Gespräch des bestgereihten Bewerbers mit der Personalführung festzulegen und zu „reservieren“.
Die Verwendungen
Soldatinnen und Soldaten gehören einer der fünf Verwendungsgruppen „Mannschaften“, „Spezialisten“, „Unteroffiziere“, „Offiziere“ oder „Generäle“ an. Alle Verwendungsgruppen können in der Miliz erreicht werden, wobei ein direkter Übertritt aus der Milizlaufbahn in eine präsente Laufbahn bei identischer Ausbildung vorzusehen ist. Für „Mannschaften“ und „Spezialisten“ sind nur Zeitlaufbahnen vorgesehen, für die anderen Verwendungsgruppen Zeit- und Berufslaufbahnen. Dabei sind die Voraussetzungen für die Übernahme in eine Berufslaufbahn grundsätzlich während einer 10-jährigen Zeitlaufbahn zu erbringen; lediglich für die Übernahme in die Verwendungsgruppe der „Generäle“ sind die Voraussetzungen im Rahmen der Verwendung als Berufsoffizier oder Milizoffizier zu erbringen.
Die Grundausbildung ist aufbauend zu gestalten: Alle Verwendungsgruppen haben eine dem Grundwehrdienst entsprechende Ausbildung zu absolvieren; Unteroffiziere, Offiziere und „Generäle“ darüber hinaus eine Ausbildung zum Unteroffizier, wobei bei Offizieren und „Generälen“ die Ausbildung an einer konkreten Waffe bzw. an einem konkreten System entfällt. Dies ist für Präsenz- und Milizpersonal unterschiedslos.
Offiziere und „Generäle“ des Präsenzstandes absolvieren nach der Grundausbildung zum Unteroffizier entweder ein militärwissenschaftliches oder militärtechnisches Bachelorstudium an der TherMilAk, welches mit der Ausbildung zum Truppenoffizier verschränkt ist; für Spezialfunktionen wie Ärzte, Apotheker, Juristen etc. ist ein universitäres Studium mit Masterabschluss sowie eine verkürzte Truppenoffiziersausbildung vorzusehen. Die Truppenoffiziersausbildung kann vor oder nach dem Masterstudium erfolgen.
Für Offiziere in höherer Verwendung sowie „Generäle“ im Präsenzstand ist ein modular aufgebauter militärwissenschaftlicher oder militärtechnischer Masterstudiengang vorzusehen, welcher frühestens nach einer 3-jährigen Verwendung als Offizier begonnen werden kann.
„Generäle“ des Präsenzstandes sind aus der Gruppe der Offiziere in höherer Verwendung frühestens 20 Jahre nach Übernahme in die Verwendungsgruppe der Offiziere auszuwählen und einer etwa 6-monatigen strategischen Führungsausbildung zu unterziehen.
Im Milizstand sind die Unteroffiziere nach Absolvierung der Grundausbildung für gehobene Funktionen der gleichen Ausbildung wie aktive Unteroffiziere zu unterziehen, wobei diese Ausbildung auf die rein einsatzbezogenen Inhalte zu begrenzen ist.
Bei Offizieren und „Generälen“ des Milizstandes ist die Ausbildung begrenzt auf rein einsatzbezogene Inhalte und eine konkrete Funktion zu organisieren. Die Ausbildung der Unteroffiziere ist so zu organisieren, dass bei Erreichen eines entsprechenden Niveaus im nationalen Qualifikationsrahmen ein vereinfachter Übertritt in die Verwendungsgruppe der Offiziere erfolgen kann.
Die Besoldung
Da alle Soldatinnen und Soldaten während der „Präsenzphasen“ Bundesbedienstete sind, sind diese auch nach einheitlichen Regeln zu besolden. Der Richtwert für die unterste Ausbildungsebene ist dabei der sozialpartnerschaftlich festgelegte Mindestlohn.
Die Truppendienstzulage ist degressiv in die Gehälter einzurechnen; der größte Zuschlag erfolgt bei den Grundwerhrdienern, Mannschaften und Unteroffizieren bis Gruppen-/Truppkommandant; bei „Generälen“ ist keine Truppendienstzulage einzurechnen.
Für Präsenzdienst versehende Milizsoldaten sind für ein allfälligen Verdienstentgang Zuschläge bis zur maximalen Höhe der Höchstbemessungsgrundlage vorzusehen.
Für alle Arten von Einsätzen gem. WG 2001 sind „Multiplikatoren“ festzulegen, welche für jeden begonnenen Einsatztag zur Anwendung kommen. Alle derartigen Zulagen sind ruhegenussfähig zu gestalten.
Die Gehaltskurven in der Grundlaufbahn der jeweiligen Verwendungsgruppe sind „abzuflachen“. Die Funktionsstufen in der derzeitigen Form sind ebenso abzuschaffen und durch einheitliche Zuschläge in den Funktionsgruppen zu ersetzen. Dabei sind bei zu erwartender Einarbeitungszeit in der Anfangsphase Abschläge vorzusehen (z.B. Bewerber ist „in höchstem Ausmaß geeignet“: keine Abschläge; „in hohem Ausmaß geeignet“: -10% in den ersten 6 Monaten; „in geringerem Ausmaß geeignet“: -20% für 6 Monate und -10% für weitere 6 Monate).
Für Spezialfunktionen, für die auch in der Privatwirtschaft ein hoher Arbeitskräftebedarf besteht, ist ein „Multiplikator“ für den Bezug festzulegen, um Soldatinnen und Soldaten in diesen Funktionen zu einem Verbleib im Dienststand zu motivieren.
Obst PONEMAYR Engelbert, MSD
1. stv Vorsitzender und Generalsekretär UGÖD/BMLV
BMLV/GDLV/Dion6
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