9. Mai, 17:00 Uhr, Moderation: Gerhard Eisl, GBHP
Am 9. Mai, dem Europatag, fand ein weiteres UGÖD-Café zum Thema Chancengleichheit statt - diesmal an der Reihe war das Außenministerium (BMEIA). Moderiert wurde das Café von Gerhard Eisl von der „Gruppe Ballhausplatz – Die Unabhängigen – UG“ (GBHP), UGÖD-Kooperationspartner im BMEIA.
Gerhard Eisl stellte zu Beginn die Gruppe Ballhausplatz kurz vor: Sie ist die seit 1967 bestehende partei-unabhängige Fraktion in der Personalvertretung des Außenministeriums; seit damals erhält die GBHP bei allen PV-Wahlen ca. 20-25% der Stimmen - Ausdruck des großen Vertrauens der BMEIA-Mitarbeiter:innen in die Gruppe. Seit Mai 2021 besteht eine Kooperationsvereinbarung zwischen GBHP und UGÖD.
Der Name „Gruppe Ballhausplatz“ kommt übrigens daher, dass das Außenministerium bis vor einigen Jahren seinen Sitz am Ballhausplatz hatte – seit der Gründung eines österreichischen Außenministeriums im 18. Jahrhundert. Es ist daher auch eine Reminiszenz an die lange Geschichte der österreichischen Diplomatie.
Realität des Diplomatenlebens?
Filme und Serien vermitteln oft ein falsches Bild von der Arbeit im Außenministerium. Dies prägt leider auch das Image, das das Außenministerium und seine Mitarbeiter:innen teilweise haben:
Viele glauben, dass wir regelrecht in Luxus schwelgen: Karikaturen zeigen einen „Botschafter am Swimming-Pool mit Champagnerglas in der Hand“, fette Dienstkarossen, teure Dienstwohnungen, Elite-Privatschulen (auch in Wien), …
Die Wirklichkeit schaut aber anders aus:
Die meisten BMEIA-Mitarbeiter:innen machen alle vier Jahre einen Ortswechsel „mit Sack und Pack“ (zum Teil von Kontinent zu Kontinent) – alles wird in Umzugskartons eingepackt und in Container verfrachtet.
An den Botschaften bzw. Vertretungsbehörden arbeiten nicht nur Botschafter:innen, sondern auch andere A-Kolleg:innen (sog. „Zugeteilte“/„diplomatischer bzw. höherer auswärtiger Dienst“) und – als essentielle Stütze um den Betrieb am Laufen zu halten (Verwaltung, Konsulat) – B-Kolleg:innen („gehobener auswärtiger Dienst“) und Kolleg:innen aus dem C-Bereich („Fachdienst“). Weiters sind zahlreiche Ortskräfte (sog. „sur place“) unter anderem als Übersetzer:innen und Dolmetscher:innen tätig; diese sind auf Basis des jeweiligen lokalen Arbeitsrechts beschäftigt und wichtiger direkter Kontakt zum Gastland.
Wohnungen sind von den aus Österreich entsandten Mitarbeiter:innen generell selbst anzumieten (nach dem lokalen Mietrecht); der Dienstgeber refundiert – auf Basis genau festgelegter Regelungen – bis zu 100% der Mietkosten (nicht jedoch die Kaution). Die Kosten für die Schule werden vom Dienstgeber ebenfalls refundiert; hier sind die Mitarbeiter:innen angehalten ihre Kinder aufgrund der notwendigen „Wiedereingliederung in das österreichische Schulsystem“ grundsätzlich in die jeweilige Deutsche Schule zu schicken; diese sind zum Teil „Begegnungsschulen“, wo Deutsch nur Unterrichtssprache ist, die Kinder aber aus dem jeweiligen Gastland stammen. Der Kindergarten ist selbst zu zahlen, wobei die Kosten für einen, dem österreichischen Niveau entsprechenden Kindergarten oftmals deutlich höher sind als in Österreich.
In weiterer Folge ging Gerhard Eisl auf aktuelle Fragenstellungen ein:
Situation der Mitarbeiter*innen im In- und Ausland (im Besonderen der B- und C- sowie der sur place Kolleg*innen/Ortskräfte)
Wie erwähnt, leben die meisten BMEIA-Mitarbeiter:innen alle vier Jahre an einem anderen Ort, darunter auf „Härteposten“ (wie Moskau, Teheran, Islamabad, Abuja) mit zum Teil sehr schwierigen Lebensbedingungen. Es gibt keinen Versetzungsschutz wie für andere öffentlich Bedienstete.
Immer wieder ist es dann notwendig, ein berufliches und privates Netzwerk aufzubauen. Das Gleiche gilt auch bei der Rückkehr nach Österreich – Wohnungssuche, Schulplatz an einer öffentlichen Schule, (Kinder-)Ärzte,…
Die Mitarbeiter:innen des BMEIA haben eine hohe Arbeitsbelastung – sowohl im Inland als auch dem Ausland; auch aufgrund der schwierigen Personalsituation, zunehmend erschwert (wie im gesamten Bundesdienst) durch die aktuellen Pensionierungswellen, was zum Abgang vieler erfahrener Kolleg:innen führt.
Der Aufgabenbereich einer Botschaft umfasst – neben der politischen Arbeit der Diplomat:innen – Tätigkeiten ähnlich einer Bezirkshauptmannschaft (u.a. Reisepässe/Personalausweise, Geburts-/Sterbeurkunden; darüber hinaus Visa). Gemäß dem BMEIA-Slogan „Weltweit für Sie da“ sind Mitarbeiter:innen an den Botschaften und in der Zentrale für Notfälle aller Art rund um die Uhr erreichbar.
Benachteiligung gegenüber anderen (öffentlich) Bediensteten
Aufgrund des ständigen Ortswechsels sind viele BMEIA-Mitarbeiter:innen Alleinverdiener:innen. Im Ausland ist eine berufliche Tätigkeit der Partner:innen grundsätzlich nicht möglich; aber auch in Österreich ist es schwierig, für einige Jahre eine entsprechende Arbeit zu finden. Viele BMEIA-Mitarbeiter:innen haben zudem oft ausländische Partner:innen ohne berufliches Netzwerk in Österreich.
Weiterhin diskriminiert werden die BMEIA-Mitarbeiter:innen unter anderem bezüglich des Kinderbetreuungsgelds (KBG) – die einzige Bevölkerungsgruppe in Österreich, die keinen Anspruch auf das KBG hat, sind die Kolleg:innen, wenn sie in einem Drittstaat „im Auftrag der Republik“ tätig sind; obwohl wir selbstverständlich unsere Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in Österreich zahlen.
„Was wir fordern, ist Chancengleichheit & Anerkennung für die Leistungen der Mitarbeiterinnen & Mitarbeiter und ihrer Angehörigen.“ Gerhard Eisl |
Spezielle Herausforderungen für Kolleg:innen bzw. Kindern mit besonderen Bedürfnissen
Bereits in Österreich ist es bekanntlich schwierig mit Behinderung bzw. besonderen Bedürfnissen zu leben. Umso schwieriger und mühsamer ist es im Ausland, Tausende Kilometer von der Heimat entfernt – dies betrifft unter anderem eine behindertengerechte/barrierefreie Wohnung, spezielle Therapien, besonders ausgebildete Assistenzlehrkräfte, …
Mit Stolz hat Gerhard Eisl darauf hingewiesen, dass die Behindertenvertrauensperson des BMEIA eine Mandatarin der GBHP ist, die bereits viel für die Kolleg:innen mit besonderen Bedürfnissen erreicht hat.
Schwierigkeiten unserer Angehörigen
Die Situation unserer Angehörigen ist ein Thema, das bei anderen Berufsgruppen (auch im öffentlichen Dienst) nicht zur Sprache kommt.
Für die Mitarbeiter:innen des BMEIA ist dies jedoch ein sehr wichtiges Anliegen: Unsere Partner:innen müssen oft alles aufgeben – Familie, Freunde, Beruf & Karriere (und damit auch Pension), zum Teil sogar die eigene Sprache.
Unsere Kinder leben alle vier Jahre woanders, müssen immer neue Schulfreund:innen suchen. In Österreich kommt oft auch das Problem Schulplatzsuche hinzu. Unsere Angehörigen leiden daher oft unter entsprechend hohen psychischen Belastungen.
Parteipolitik
Zwar ist Parteipolitik weniger ausgeprägt als in anderen Ministerien – auch deshalb, da die Aufnahme in das BMEIA (in allen Funktionsgruppen!) nur durch eine objektivierte schriftliche & mündliche Prüfung („Préalable“) möglich ist und auch ein eigenes Gesetz über den auswärtigen Dienst („Statut“) vieles regelt. Nichtsdestotrotz sieht man – wie auch in anderen Ministerien und den Bundesländern - die Auswirkungen, wenn eine Partei jahrzehntelang an der Macht ist. Umso wichtiger ist eine starke unabhängige Fraktion in der Personalvertretung.
All dies zeigt, wie wichtig eine deutliche Verbesserung der Rahmenbedingungen ist.
Die Gruppe Ballhausplatz fordert daher:
Mehr Personal
Die GBHP hat seit vielen Jahren auf die dramatische Personalsituation hingewiesen – in den letzten Jahrzehnten kam es ständig zu Personalkürzungen bei immer mehr Aufgaben; all dies verschärft durch die aktuellen Pensionierungswellen.
Es gibt weltweit immer mehr Krisen (Kriege, Katastrophen, …). Die aktuelle Lage zeigt daher nachdrücklich, wie wichtig Augen, Ohren und Hände der Republik „vor Ort“ sind - das BMEIA ist wie das Innenministerium (BMI) und Verteidigungsministerium (BMLV) ein Sicherheitsressort. Dafür brauchen wir in deutlich höherem Ausmaß entsprechendes qualifiziertes Personal.
Höhere Gehälter
Im BMEIA sind bestens ausgebildete Mitarbeiter:innen tätig. Alle sind geprüft durch ein schwieriges Aufnahmeverfahren; auch im Support-Bereich ist mindestens eine Fremdsprache Voraussetzung, bei den Lehrlingen machen die meisten Lehre mit Matura.
Das Außenministerium steht zudem im Wettbewerb mit anderen potenziellen Arbeitgeber:innen (Privatwirtschaft, internationale Organisationen, aber auch z.B. Stadt Wien und Polizei).
Auch für die sur place-Kräfte (oftmals Akademiker:innen) fordern wir angemessene Entlohnung – andere ausländische Arbeitgeber:innen zahlen oft deutlich mehr.
Verbesserung der Arbeitsbedingungen
Die GBHP fordert mehr Flexibilität sowohl in der Zentrale als auch an den Vertretungsbehörden (darunter auch Telearbeit für sur place Kräfte - wo dies nach dem jeweiligen nationalen Recht möglich ist).
Maßnahmen zur beruflichen und persönlichen Weiterentwicklung
Jede:r Mitarbeiter:in muss die Chance haben sich beruflich und persönlich weiterzuentwickeln (u.a. durch verstärkte Aus- & Weiterbildungsangebote und Jobcoaching).
Verstärktes Eingehen des Dienstgebers auf Mitarbeiter:innen und Angehörige mit besonderen Bedürfnissen/Behinderung
Die Mitarbeiter:innen und ihre Angehörigen sollen nicht als Bittsteller:innen auftreten müssen. Wichtig ist eine aktive Unterstützung des Dienstgebers, auch durch ein umfangreiches Informationsangebot und die Einrichtung einer Job-Plattform.
Umfassende Unterstützung des Dienstgebers für die Angehörigen
Auch für unsere Angehörigen muss der Dienstgeber aktive, auch finanzielle Unterstützung leisten – sowohl bei Versetzung ins Ausland als auch bei der Rückkehr ins Inland (unter anderem bei Behördenwegen und bei der Jobsuche). Als Vergleich hierzu dienen andere EU-/westliche Staaten und der Europäische Auswärtige Dienst (EAD).
Keine Parteipolitik
Als partei-unabhängige Fraktion tritt die GBHP seit jeher vehement dafür ein parteipolitischen Einfluss zurückzudrängen.
Die Gruppe Ballhausplatz fordert völlig transparente und objektive Postenbesetzungen, auch – wie in der Privatwirtschaft üblich - unter Beiziehung externer Expert:innen, bei hohen Funktionen zudem Hearings.
In diesem Zusammenhang wies Gerhard Eisl auch auf den Offenen Brief der UGÖD an Vizekanzler/Beamt:innen-Minister Kogler mit der Forderung für ein objektives und transparentes Aufnahmeverfahren für den gesamten Bundesdienst am Beispiel des BMEIA-Préalable (für alle Verwendungsgruppen!) und des EU Concours hin.
Dennoch ein positives Schlusswort:
Trotz all dieser Herausforderungen: Der Dienst im Außenministerium ist eine schöne Aufgabe – man lernt andere Länder und Kulturen kennen, bekommt einen anderen Blickwinkel auf die Welt.
Was wir tun, ist für Österreich und alle Menschen, die hier leben. Die Mitarbeiter:innen des Außenministeriums helfen Österreicher:innen in Not, sind Verbindung zur Heimat für Auslandsösterreicher:innen, unterstützen österreichische Unternehmen in schwierigen Märkten, setzen sich für das Verbot von Nuklearwaffen ein, arbeiten in der Entwicklungszusammenarbeit, leisten tolle Kulturarbeit und vieles mehr. All dies ist nur möglich durch das große Engagement aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Die Forderungen, die die Gruppe Ballhausplatz im Namen der Mitarbeiter:innen stellen, dienen dazu das Außenministerium besser & moderner zu machen und damit einen Beitrag für die gesamte Republik zu leisten.
Gerhard Eisl schloss mit den Worten:
„Was wir fordern, ist Chancengleichheit & Anerkennung für die Leistungen der Mitarbeiterinnen & Mitarbeiter und ihrer Angehörigen.“
In der anschließenden, sehr lebhaften Diskussion kamen sowohl Kolleg:innen aus dem BMEIA als auch aus anderen Bereichen zu Wort: Es wurden konkrete Probleme der BMEIA-Kolleg:innen angesprochen als auch grundsätzliche Fragen zur Arbeit im Außenministerium gestellt.