„Es gibt Menschen, die im Volk die absolute Mehrheit stellen
und im Parlament die wenigsten Sitze haben.
Fragen Sie die Männer, warum.“
Johanna Dohnal (1939 - 2010)
Am 19. Februar 2000 [ich habe mich NICHT vertippt bei der Jahreszahl] haben sich viele Menschen am Heldenplatz und am Stephansplatz versammelt, weil ihnen die Angelobung einer schwarz-blauen Regierung in Österreich nicht gefiel. Johanna Dohnal hat damals die versammelten Menschen mit folgenden Worten begrüßt:
„Liebe, sozialschmarotzende Notstandshilfebezieherinnen, …., verantwortungslose berufstätige Mütter, pensionsgekürzte Frühpensionistinnen, staatskeimzellenzerstörende Alleinerzieherinnen, …., und weit unter den Männerlöhnen verdienende, unanständige und faule Frauen, instrumentalisierte Schülerinnen und im Faulbett der Subventionen liegende Künstlerinnen!“
Heute, 20 Jahre und eine weitere schwarz-blaue Regierung später werden noch immer Frauen angefeindet, weil oder wenn sie nicht in Abhängigkeitsverhältnissen leben wollen. Viele Österreicherinnen und Österreicher behaupten, dass sie Feministinnen und Emanzen nicht ausstehen können, weil es doch den Frauen in Österreich eh so gut gehe.
Wir brauchen eine neue Definition von VOLLZEIT!
Fast 50% der berufstätigen Frauen in Österreich können nur in Teilzeit arbeiten, weil keine anderen Stellen ausgeschrieben werden. Derartige Stellenangebote stellen die vorweggenommene Familienfreundlichkeit eines paternalistischen Wirtschaftssystems dar, dem Regierungen zuarbeiten müssen, damit sie nicht den Wettbewerb um den Wirtschaftsstandort gefährden.
Frauen: 20% weniger Lohn als Männer
Frauen verdienen jetzt im Jahr 2020 im österreichischen Durchschnitt noch immer um mehr als 20 Prozent weniger als Männer und steuern vielfach trotz Berufstätigkeit auf die Armutsgefährdung im Alter zu – vor allem dann, wenn sie unabhängig und allein leben wollen. Betrachte ich die andere Hälfte der berufstätigen, also die vollzeitbeschäftigten Frauen in Österreich, so kann ich unter anderem auch für mich selber feststellen: beamtete Frauen sind zwar mit ihren männlichen Kollegen beim Pensionsantrittsalter (65 Jahre) gleichgestellt, aber auch im öffentlichen Dienst gibt es noch immer eine Lohnschere mit cirka 10 Prozent zu Ungunsten der Frauen. Zwar wird gleiche Leistung im öffentlichen Dienst gleich bezahlt, aber eine unsichtbare gläserne Decke behindert noch immer die Aufstiegschancen von Frauen im öffentlichen Dienst.
Niedrigere Preisgelder für Sportlerinnen
Noch viel krassere Gehaltsunterschiede gibt es, wenn wir Frauen und Männer in den gleichen Sportarten miteinander vergleichen. Erfolgreiche Fußballerinnen oder Skispringerinnen gibt es zwar, aber sogenannte Transferpreise werden nur von männlichen Sportstars genannt und besprochen. Auch bei den Preisgeldern sind gravierende Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Sportler*innen feststellbar. Wie ungleich aus Gendersicht Fördermittel im österreichischen Sport verteilt werden, liegt möglicherweise auch daran, dass wir noch nie eine österreichische Sportministerin hatten – oder irre ich mich? Da tut sich auf jeden Fall ein weites Feld für Veränderungen zugunsten von Frauen auf, wenn nicht die durchaus angestrebte Gleichstellung in eine ferne Zukunft verlegt werden soll.
ÖGB: 35-Stunden-Woche stärkt Frauen
Die ÖGB-Frauen wollen sich im Jahr 2020 mit der Teilzeitbeschäftigung von Frauen in Österreich intensiv beschäftigen. Die Kollektivvertragsverhandlungen der Sozialwirtschaft in Österreich stocken gerade wegen der Forderung einer 35-Stunden-Woche für in der Pflege beschäftigte Menschen – überwiegend Frauen. Der ÖGB hat dieser Beschäftigtengruppe die Streikfreigabe erteilt.
Im öffentlichen Dienst gibt es auch Beschäftigte in der Pflege, nicht nur deshalb haben die Unabhängigen Gewerkschafter*innen im öffentlichen Dienst ihre Solidarität mit den streikenden Kolleg*innen in den Gewerkschaften GPA-djp und vida erklärt.
Wirtschaftskammer sieht Österreichs Ende
Der Wirtschaftskammerpräsident Dr. Harald Mahrer, der Anfang März erstmals gewählt werden will, behauptet, dass im Fall einer Arbeitszeitverkürzung Österreich untergehen wird im wirtschaftlichen Wettbewerb der Länder aller Welt – „dann geht das Licht aus in Österreich“, so seine apokalyptische Vision. Das ist natürlich Blödsinn.
AMS-Bewerbungen werden ignoriert
Der WKÖ-Chef und Multifunktionär Mahrer behauptet auch, dass es in Wien viel zu viele Arbeitslose gebe, während im österreichischen Westen Arbeitskräfte für den Tourismus gesucht werden.
Meine Erfahrung ist eine andere: Das AMS hat z.B. meinem farbigen Partner im vergangenen Jahr viele Stellenausschreibungen von westösterreichischen Tourismusbetrieben vorgelegt. Er hat sich um jede dieser freien Stellen beworben, aber niemand hat ihn genommen. Lediglich eine Einladung von einer Tiroler Pension haben wir(!) erhalten: „kommen Sie doch als Ehepaar zu uns auf Urlaub“, quasi unter dem Motto: „dann werden wir schon sehen, ob Sie zu uns passen….“ – um im Jargon von österreichischen Politiker*innen zu bleiben, ist das ein „Einzelfall“.
„...kommen Sie doch als Ehepaar zu uns auf Urlaub...“ |
Antwort einer Tiroler Pension auf eine AMS-Bewerbung |
Frauen im aktuellen Regierungsprogram?
Frauenpolitik ist Gleichstellungspolitik – und um unsere Fortschritte darin beweisen zu können, nehmen wir nun doch an der europaweiten Zeiterhebungsstudie oder Zeitverwendungsstudie teil. In dieser Art von Studie wird über einen längeren Zeitraum erhoben, wofür Männer und Frauen Tag für Tag ihre Zeit verwenden. So eine Studie wurde in Österreich zuletzt in den Jahren 2008/2009 durchgeführt und führte zu dem Ergebnis, dass Frauen mehr unbezahlte Arbeit leisten als Männer.
Salzburg: Zwei Frauenhäuser sollen privatisiert werden
Die neue türkis-grüne Regierung hat vor, Gewalt gegen Frauen mit einem nationalen Aktionsplan und mit bloß 2 Millionen Euro mehr im Budget der Frauenministerin zu bekämpfen.
Das Land Salzburg schreibt zwei Frauenhäuser eu-weit neu aus, was einer Privatisierung gleichkommt. Damit werden bestehende und autonome Strukturen zerschlagen. Eine meiner ersten Assoziationen dazu ist: es gibt auch einen nationalen Aktionsplan für Barrierefreiheit – und ich meine, dass ich mich gut daran erinnern kann, dass das Land Salzburg diesen einschränken wollte, weil die Umsetzung von Barrierefreiheit in öffentlichen und privaten Bauwerken einfach viel zu „teuer” und somit „unwirtschaftlich” sei.
Undurchschaubares Fremdenrecht
Es gibt auch einen nationalen Aktionsplan für Integration, dessen Umsetzung bislang dazu führt, dass Fremde in Österreich in einem Dschungel aus Fremdenrechtsbestimmungen untergehen. Keine Seite der Integration wird gefördert - weder der gute Wille der österreichischen noch die Bemühungen der zugewanderten Bevölkerung. Wer nicht die Augen zumacht, der wird sie kennen: die Bilder vom östlichen Mittelmeer und von griechischen Inseln oder aus dem Nahen Osten, wo Frauen und Kinder am meisten darunter leiden, dass wir unseren Einsatz für Menschenrechte aufgegeben haben, weil uns Politiker*innen dafür „mehr Sicherheit“ versprechen. Virginia Woolf schrieb: Als Frau hab ich kein Land, als Frau brauch‘ ich kein Land, als Frau ist mein Land die ganze weite Welt.
Gleichstellung, bitte warten
Eine internationale Studie bescheinigt Österreich im Jahr 2017, dass wir erst in 170 Jahren Gendergerechtigkeit erreichen werden. Es könnte aber aus meiner Sicht doch wesentlich schneller gehen.
Ein Vorschlag:
Wie die technische Prüfstelle, die Gesetze auf ihre technische Tauglichkeit überprüft, finde ich, sollten wir in Österreich die Einrichtung einer von gesetzgebenden Körperschaften unabhängigen Stelle fordern, die neue Gesetze und Verordnungen in Österreich auf ihre möglichen und nachweisbaren Auswirkungen auf Frauen und Kinder überprüft – mit einer Verpflichtung zur regelmäßigen Veröffentlichung von Berichten zur frauenfördernden oder -hemmenden Wirkung von Gesetzen.
Mutige Vorkämpferin: Johanna Dohnal
Am 14.2.2020 startete ein neuer Dokumentarfilm in den österreichischen Kinos, der nicht einmal zu einem Drittel mit österreichischen Fördermitteln unterstützt wurde: Die Dohnal - Frauenministerin / Feministin / Visionärin.
Join the union to change the union!
Beate Neunteufel-Zechner
UGÖD-Vorsitzende
Mitglied im GÖD-Bundesfrauenausschuss
Mehr:
UGÖD fordert: Binationale Ehen und Partnerschaften fördern!
Frauen in der 'Teilzeitfalle':
Die Hälfte aller beschäftigten Frauen in Österreich arbeiten in Teilzeit. Wir helfen und beraten, damit genug Geld zum Leben bleibt.