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Fragen über Fragen, die gestellt werden müssen

Was sich aus dem Abschlussbericht der Untersuchungskommission im Justizministerium ergibt

Nahaufnahme eines Clipboards

Im November 2023 haben wir an Hand von Ergebnissen aus dem „ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss“ in einem offenen Brief an den Vizekanzler dringende Reformen der Aufnahmeverfahren im öffentlichen Dienst gefordert.

 

Der nunmehr veröffentlichte Abschlussbericht einer weiteren Untersuchungskommission für den Bereich des Justizministeriums zeigt erschreckend deutlich, dass Praktiken sachfremder Postenbesetzungen und Ämterpatronage den Grundsatz der Bestenauslese eklatant untergraben, die Qualitätsstandards massiv herunterfahren und den Nährboden für unzulässige Einflussnahmen aufbereiten. Es fehlt zudem an klaren rechtlichen und organisatorischen Standards für die Vorbereitung und Durchführung von Entscheidungen über Postenbesetzungen und daran, dass Führungskräfte ihre Verantwortung ernst nehmen und ein hohes Maß an Integrität und Compliance demonstrieren.

 

Die Kommissionsmitglieder fordern: „Das Prinzip der Bestenauslese muss auf allen Ebenen einschließlich der Spitzenämter gewahrt werden. Ein dienstrechtliches System für die Einstellung, Auswahl, Beurteilung und Beförderung muss sicherstellen, dass diese Anforderungen erfüllt werden.“ Der Katalog von Empfehlungen könnte ohne weiteres als Compliance-Grundlage in der Privatwirtschaft für Unternehmenskultur dienen und trifft haarscharf die wunden Punkte auf dem gesamten Arbeitsmarkt, angefangen von Postenausschreibungen bis zur arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht.

 

Beispiel: „Aufsetzen und Implementierung eines (begleitenden) multi-stakeholder Prozesses zur Schaffung und Sicherstellung einer transparenten Verantwortungskultur, einer modernen Führungskultur (mit verstärkter Betonung von Belohnung vor Bestrafung), insbesondere einer breiten kritischen und reflektierenden, gesamtinstitutionellen Fehlerkultur, sowie verstärkter Dienstgeberfürsorge, speziell in exponierten Bereichen“.

 

In der breiten medialen Öffentlichkeit wurde der Bericht dieser Untersuchungskommission bislang hauptsächlich auf deftige Zitate aus Chat Nachrichten und das Thema der Zweiklassenjustiz reduziert und die hier herausgegriffenen Aspekte weitgehend ignoriert.

 

Angesichts bevorstehender Personalvertretungs- und Nationalratswahlen sollten die Untersuchungsergebnisse jedoch Nährstoff für klare Fragen an die Fraktionen und Parteien liefern können. Im Lichte dieser Diagnosen aus einem Segment des öffentlichen Dienstes mit Schattenwurf auf die Arbeitssituation in vielen Branchen, schreit es doch nach Antworten auf brennende Fragen, wie:

  • Welche konkreten Maßnahmen wird es gegen Günstlingswirtschaft und Korruption geben?
  • Welche Verfahren zu objektivierten und fachbezogenen Stellenbesetzungen werden implementiert?
  • Welche Vorkehrungen werden gegen massive Managementfehler in der Wirtschaft mit fatalen Folgen für die Arbeitswelt getroffen?

 

Wenn es im Wahlkampf gelingt, den Fokus auf diese Themen zu lenken, so könnten die Antworten der wahlwerbenden Fraktionen und Parteien eine echte Orientierungshilfe für die Wählerinnen und Wähler darstellen.

 

 

Stefan Schön, Pressesprecher