Budgetpolitik der Unis muss an Zukunft angepasst werden!
In der durch die Pandemie hervorgerufenen Krisenzeit hat sich die gesellschaftliche Bedeutung des tertiären Bildungsbereichs deutlich manifestiert.
Auf der ganzen Welt hing und hängt das Schicksal vieler Menschen von der Fachkompetenz der Mediziner*innen und – mit hohem Erwartungsdruck – von den Forschungsergebnissen zur Entwicklung von Medikamenten bzw. eines Impfstoffs ab. Bereiche wie Logistik, wirtschaftliche Kompetenz, Medienkompetenz, Krisenmanagement, technisches Know-how, Informatik und vieles mehr erlangten tiefere und neu orientierte Bedeutungen, wobei dieser nachhaltige Veränderungsprozess wahrscheinlich erst an seinem Anfang steht. Aus unserer Sicht ist es daher dringend erforderlich, Erfahrungen mit dem ungewöhnlichen Sommersemester an den Universitäten zu analysieren, die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen zu ziehen und jene Voraussetzungen zu schaffen, die nötig sind, um den universitären Betrieb ab dem laufenden Studienjahr budgetär abgesichert mit deutlicher Ressourcensteigerung sicher zu stellen. Gerade jetzt erwartet sich die Gesellschaft zu Recht solide und fundierte Ergebnisse, mit der die Bewältigung der Krise erreicht werden kann.
Dieser Forderungskatalog richtet sich an die politischen Entscheidungsträger*innen und die Universitätsleitungen zur ausreichenden Ausstattung und Mittelverteilung an den öffentlichen Universitäten. Die Budgetpolitik für die Universitäten muss der Ausnahmesituation und den zukünftigen gesellschaftlichen Herausforderungen angepasst werden.
Universitätspolitik im Allgemeinen:
- Grundsätzliche Reform des Konzepts der Studienplatzfinanzierung zur Abkehr von bedarfsorientierter zentralistischer Planwirtschaft mit fragwürdiger Lehrgewichtung.
- Abkehr vom Irrweg der Ökonomisierung der Universitäten.
- Abkehr vom betrieblichen Charakter der Universitäten, die ihre Student*innen als Kund*innen betrachten sollen.
- Entwicklung eines neuen europäischen Publikationskonzeptes.
- Qualitätsinitiative zu Gunsten echter Datenschutzregelungen für Studierende und Lehrende hinsichtlich von Forschungsdaten, Daten für Distanzlehre, Persönlichkeitsrechten, u. v. m.
Universitäres Personal:
- Maßnahmen zur Erhöhung des Arbeitnehmer*innenschutzes.
- Beseitigung sämtlicher prekärer Arbeitsverhältnisse.
- Schaffung planbarer universitärer Karrieren.
- Evaluierung des erhöhten Arbeitsaufwands durch den Ersatz von Präsenzlehre durch Distanzlehre.
- Lösungen zur Abgeltung des Mehraufwands für digitale Lehre.
- Wahrnehmung der Sorgfaltspflicht für psychische Gesundheit am Arbeitsplatz.
- Abgeltung des Mehraufwands, der sich wegen der Lockdown-Maßnahmen ergeben hat.
- Wertschätzung und Anerkennung des Stellenwerts der Aufgaben, die vom allgemeinen Personal bewältigt werden.
Forschungsinitiativen:
- Erhöhung des eigenständigen Forschungsanteils des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals in den Dienstpflichten statt Fokussierung auf Tatbestände des Zuarbeitens.
- Erhöhung der Relevanz universitärer Forschungsergebnisse für politische Entscheidungsträger*innen (vgl. die Ignoranz gegenüber Katastrophenplänen!).
Homeoffice und Distanzlehre:
- Schaffung einer hinreichenden Ausstattung und einheitliche Standards für e- und Distance Learning, sowie Schaffung von Mindeststandards der Ausrüstung für Homeoffice bzw. mobiles
Arbeiten.
- Budgetäre Sondertöpfe für die erforderlichen Arbeitsmittel.
- Kollektivvertragliche Regelung von Homeoffice und Ersatz des Zusatzaufwandes.
Der überwiegende Teil dieser dringenden Anliegen bedarf der operativen Umsetzung an den Standorten durch die jeweiligen Universitätsleitungen. Flankierend dazu bedarf es angepasster gesetzlicher Grundlagen im Studien- und Arbeitsrecht für eine solide Grundlage zur Entwicklung einer auf interdisziplinärem Austausch basierenden Wissensgesellschaft.
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Stefan Schön
Pressesprecher des Verbands des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an den österreichischen Universitäten (ULV)
Vorsitzender des Betriebsrats für das wissenschaftliche und künstlerische Universitätspersonal
Stv. Vorsitzender der Universitätsgewerkschaft, wissenschaftliches und künstlerisches Personal der Gewerkschaft öffentlicher Dienst (GÖD)
Universität für Musik und darstellende Kunst Wien
Anton von Webern-Platz 1, 1030 Wien
Leonard Bernstein Institut
+43 / 1 / 711 55 - 82 10
+43 / 699 / 11 24 09 84