Update:
Während die österreichische Bundesregierung mit voller Kraft rückständig agiert, wurde der Weltfrauentag in Deutschland zum gesetzlichen Feiertag für alle erklärt! Wir gratulieren herzlich!
https://www.oeliug.at/2019/03/08/weltfrauentag-wird-in-berlin-zum-feiertag-glückwunsch-berlin/
Ein aktueller Blick auf die Frauenpolitik in Österreich führt zur Frage: Was hat die österreichische Bundesregierung gegen Frauen?
Mehrheit im Volk, Minderheit in der Regierung
Fangen wir an der Spitze der Gesetzgebung an. 30% Frauen sind an der Gesetzgebung im Parlament beteiligt. Gender-Analysen zu möglichen Auswirkungen von neuen Gesetzen auf Frauen fehlen. Die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung ist weiblich, nicht einmal 10% Frauen schaffen es in ein Bürgermeisterinnenamt, und in der Wirtschaft stehen auch nicht einmal 10% Frauen als Geschäftsführerinnen einem Unternehmen vor. Und die türkisblaue Bundesregierung ignoriert die Quote, als ob Frauen für sie unwichtig wären.
12-Stunden-Tag: Überlebenskampf
Die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen liegen im langjährigen Durchschnitt bei 20%. Da fast 50% aller beschäftigten Frauen in Österreich in Teilzeitarbeit stehen, geht die Einkommensschere in einigen Branchen auf über 40% auseinander. Eine generelle Arbeitszeitverkürzung mit einem fairen Lohnausgleich wäre frauenfördernd. Doch Türkisblau folgt den Wünschen der Wirtschaft und führt den 12-Stunden-Tag und die 60-Stundenwoche ein. Für Frauen mit Betreuungspflichten beginnt damit ein Überlebenskampf. Doppelbelastung wird zu Mehrfachbelastung ohne finanziellen Ausgleich. Umverteilung von Gratisarbeit und eine faire Arbeitsmarktpolitik mit ausgleichender Förderung von Frauen bis zur gesellschaftlichen Gleichstellung bleiben offene Forderungen der unabhängigen Gewerkschaftsfrauen. Die Regierung hat sich der Förderung der kapitalistischen Wirtschaft verschrieben und die neue Karfreitagsordnung berücksichtigt Vereinbarkeitsfragen ebenfalls nicht.
Altersarmut durch Teilzeit-Jobs
Zwei Drittel der unbezahlten Arbeit in Österreich wird von Frauen geleistet, Kinderbetreuungsgeld beziehen fast zu 96% Frauen. Neue Beschäftigungsformen wie geringfügige Beschäftigung oder befristete Projektarbeit bewirken die Abwertung von gut und teuer ausgebildeten Frauen, die einen Wiedereinstieg nur über Entwertungsprozesse im Arbeitsmarkt schaffen. Unbezahlte Care-Arbeit führt in den Niedriglohnsektor und bewirkt niedrige Pensionen und Altersarmut.
Keine Pensionsjahre bei Mindestsicherung
Die geplante Abschaffung der Notstandshilfe verhindert das Sammeln von Pensionszeiten. Frauen müssen in Zukunft damit rechnen, dass ihr unbezahlter Einsatz für die Familie dazu führt, dass sie statt einer Pension die Fürsorgeleistung der Mindestsicherung in Anspruch nehmen müssen.
Frauen sind schon bisher öfter auf Mindestsicherung angewiesen als Männer. Wenn Rechtsanspruch und Mindeststandards entfallen, verschlechtert sich die soziale Situation von Frauen massiv. Kann-Leistungen, Kürzungen bei den Kinderrichtsätzen und die Deckelung für Haushaltsgemeinschaften betreffen überwiegend Frauen.
AMS-Punktesystem: Druck statt Hilfe
Die türkisblaue Bundesregierung billigt wirtschaftlichen Erfolg nur Wirtschaftstreibenden zu, deren Gewinne tragen zur Vermögensbildung bei, und diese Vermögen traut sich die Regierung nicht zu besteuern. Damit sich Leistung wieder lohnt – für wen denn? – wird dem Arbeitsmarktservice der Auftrag erteilt, mit digitalen Bewertungssystemen Arbeitsuchende so abzuwerten, dass sie ihre Arbeitskraft noch billiger zu Markte tragen, als diese es ohnehin schon tun, wenn sie sich auf digitalen Plattformen für Click- oder Crowd-Arbeit in völlig ungesicherte Beschäftigungsverhältnisse einlassen.
Ein Bonus für wohlhabende Männer
Mit dem „Familienbonus Plus“, der Steuerermässigung für gut verdienende Männer, werden nur die ohnedies besser gestellten Männer in Österreich gefördert, die sich eine Familie „leisten“. Banken werben bereits mit Familienfotos ohne Mutter und damit, dass sich mit dem „Familienbonus Plus“ männliche Herzenswünsche wie größere Autos nun endlich erfüllen lassen. Auf einem der Werbebilder ist ein SUV zu sehen, aus dem nur Vater und Kind herausschauen. Nun, die Banken jedenfalls haben‘s bereits kapiert.
Alleinerziehende bis zu 6x weniger Geld
Alleinerziehende erhalten bis zu sechsmal (!) weniger „Familienbonus Plus“ pro Kind, für studierende Kinder gibt es nur ein Drittel, arbeitslose Haushalte gehen völlig leer aus.
Die 1,5 Milliarden Euro, die die Regierung für den „Familienbonus Plus“ zur Verfügung stellt, machen 67% des Budgets aus, das bisher für Kinderbetreuung in öffentlichen Einrichtungen bereitgestellt wurde. Mit diesen 1,5 Milliarden Euro wäre es möglich, flächendeckend für Kinderbetreuung inklusive Kinderbildung zu sorgen, alle in Österreich lebenden unter Dreijährigen hätten einen Platz in Kindergruppen mit langen Öffnungszeiten, und ein zweites kostenloses Kindergartenjahr mit mehr qualifizierten Elementarpädagoginnen wäre auch noch drin.
Würden diese 1,5 Milliarden Euro kinderorientiert investiert, hätten Frauen auch die Chance auf eine ordentliche Beschäftigung. Das gäbe enorme finanzielle Rückflüsse in die öffentliche Hand. Doch der überwiegend männlich orientierten Regierung ist Vereinbarkeit von Familie und Beruf offensichtlich kein Anliegen, sie verzichtet auf den Ausbau der Chancengleichheit für Kinder - zugunsten einer Männerförderung.
Bildungsminister: rückschrittliche Pläne
Bei der gesetzlichen Neuregelung der Herbstferien setzt sich ein Bildungsminister in Szene, der auch sonst nicht zimperlich ist mit rückschrittlichen Entscheidungen im Bildungsbereich. Seine Rückständigkeit bewirkt, dass künftig einige wenige mächtige Personen in der Schule das Sagen haben. Die neuen Bildungsdirektionen werden nur Direktor_innen mit Autonomie und Entscheidungsgewalt ausstatten. Schulpartnerschaft wie Mitspracherecht von Eltern und Schüler_innen muss neu erkämpft werden.
Selektion, Prüfungsstress und Dauertestung ab dem ersten Tag eines Kindes in einer Kinderbetreuungseinrichtung schaffen keine guten Voraussetzungen für eine Entwicklung zu demokratisch entwickelten und kritisch gebildeten Bürger_innen. Viel schlimmer noch: Separation und Zwang bestimmen nun die Ausbildung vom Kindergarten an, Bewertung ist das Um und Auf.
Lernen ohne Zwang mit entsprechend pädagogisch orientierter Ausstattung und ausreichend viel Fachpersonal, das zur Wahrnehmung von Bedürfnissen der Lernenden noch immer Engagement und Zeit aufbringen darf, das wünschen sich die unterrichtenden Frauen und Männer. Der Bildungsminister setzt jedoch auf das viel schlimmere Gegenteil von Bildungskultur: Separation und Sanktionen bestimmen nun die Ausbildung vom Kindergarten an, Bewertung ist das Um und Auf.
Der Wettbewerb setzt sich fort bis in die Universitäten und Kultureinrichtungen des Landes. Einige wenige Positionen werden mit umfangreichen Befugnissen ausgestattet, wenn sie nur kostenneutral genug wirtschaften können. Österreichische Künstler_innen müssen sich an internationalen Wettbewerben beteiligen, weil ihre Förderung in Österreich nicht mehr auf der politischen Agenda steht. Kunst und Kultur ziehen noch immer sehr viele Tourist_innen magisch nach Österreich. Die künstlerische Attraktivität unseres Landes ist türkisblauen Politikern zwar recht, aber deren Erhaltung ist ihnen kein wirklich erkennbares Anliegen, handelt es sich doch bei der Kulturarbeit nur um eine von Frauen dominierte Branche.
Neuer Chic: abhängige Frauen und JournalistInnen
Philosoph_innen sprechen in den Medien schon davon, dass es wieder chic wird, sich in Abhängigkeiten zu begeben, gleichzeitig feiern wir hundert Jahre Demokratie und Frauenwahlrecht in Österreich.
Die türkisblaue Regierung freut das und die freien, überwiegend prekär beschäftigten Journalist_innen leben davon, dass türkisblaue Politiker_innen noch mit ihnen reden. Sie enthalten sich sorgfältig jeder kritischen Berichterstattung, um ihre Existenz durch die bei vielen öffentlichen Gelegenheiten durch Regierungsmitglieder in Aussicht gestellte Auflösung von Medienanstalten nicht zu gefährden.
Die Kontrapunkte freier Meinungsäußerung, die unabhängige Gewerkschafter_innen unverdrossen in den eigenen Medien setzen, werden vom allgemeinen Medienmarkt lieber doch nicht oder nur ganz selten aufgegriffen. Wir reden trotzdem Klartext.
Wie wär's mal mit Protest?
Den Frauen in Österreich wünsche ich einen schönen und stolzen internationalen Weltfrauentag 2019.
Wir leisten mehr als genug und sollten uns ernsthaft überlegen, gemeinsam die unbezahlte Arbeit niederzulegen und uns auf der Straße zu fantasievoll feministischen Protesten zu treffen, bis Neuwahlen uns neue Möglichkeiten als Wählerinnen eröffnen.
Join the union to change the union into a female union!
UGÖD-Vorsitzende
Beate Neunteufel-Zechner
zum 08.03.2019