Wer das Falsche perfekt macht, macht das perfekt Falsche
Im Wesentlichen fordert das aktuelle Regierungsprogramm die Gestaltung eines zukunftsträchtigen und modernen Heeres. Die Aufgaben, Strukturen und Mittel der Landesverteidigung sind weiterzuentwickeln. Die personelle und materielle Ausstattung der Miliz muss sichergestellt werden und die allgemeine Wehrpflicht ist beizubehalten. Die Kernkompetenz des Bundesheeres ist auf Cyber-Defence, Beteiligung bei internationalen Friedenseinsätzen und Assistenzleistungen bei Katastrophen zu legen. Die Reduktion der schweren Waffen wird weiter fortgesetzt. Ebenso sollen die Tauglichkeitskriterien in „teiltauglich“ und „volltauglich“ unterschieden werden.
Quelle:
Change Management
Tatsächlich läuft nun seit über einem Jahr der krampfhafte Versuch, eine Reorganisation der Zentralstelle und der obersten militärischen Führung, ohne erkennbare Auswirkungen auf die o.a. Inhalte des Regierungsprogrammes, umzusetzen. Dabei vermeint die Ressortleitung mit ihren Reformern, die Prinzipien der abteilungsorientierten Organisationsform eines Ministeriums (im Sinne des Bundesministeriengesetzes) und die hierarchische Organisationsform von Streitkräften durch eine angeblich effizienzorientierte Matrixorganisation ersetzen zu können. Versprechen der Ressortleitung, wie „niemand wird etwas verlieren“, „die Prozesse und Entscheidungsfindungen werden straffer“ oder „die Schnittstellen werden weniger“, haben sich mittlerweile - nüchtern betrachtet - als Seifenblasen herauskristallisiert.
Wenn man die sechs Grundregeln für das Gelingen des „Change-Managements“, also die Regeln zum Gelingen von zukunftsträchtigen Veränderungen, heranzieht und
diese vergleichend zur laufenden Reform stellt, erkennt jede und jeder, dass keine dieser Grundregeln beachtet wurde.
1. Kommunikation: Innerhalb des Ressorts fand die Kommunikation der Reorganisation der Zentralstelle und der obersten
militärischen Führung lediglich in der Form statt, dass von einem auf den anderen Tag eine „Schattenorganisation mit Schattenabläufen“ angeordnet wurde. Die Mitarbeitenden (auch Spitzenbeamte des
Ressorts) wurden gezwungen (entgegen deren gültigen Bescheide bzw. Mitteilungen betreffend die Einteilung auf Arbeitsplätzen), in neubenannten und neugeordneten Organisationseinheiten ihren
Dienst zu versehen.
2. Zeit und
Geduld: Prozesse und deren Akteure benötigen Zeit, um effizient arbeiten und effektiv wirken zu können. Das Traurige bei dieser Reform: Es gab
keine angeordneten Prozesse und lediglich ca. zehn Tage Zeit, die „Schattenorganisation“ einzunehmen. Leicht zu erkennen ist, dass durch die fehlende Zeit und nicht vorhandene Geduld betreffend
die Umsetzung die Leistung für das „System Landesverteidigung“ und damit der Schutz Österreichs geschwächt werden.
3. Begleitung und
Verantwortung: Jede Veränderung benötigt Unterstützung für die Betroffenen, und aus deren sich ergebenden Fragen ließen sich auch Verbesserungen
für die Optimierung der gewollten Veränderung generieren. Äußert jemand Kritik betreffend diese Reform gegenüber den Wenigen, die diese zu verantworten haben, wird sie oder er entweder als
Querulierende(r) hingestellt oder als ewig Gestrige(r) bezeichnet.
4. Begeisterung statt
Druck: Weil diese Organisationsänderung ausschließlich von oben nach unten angeordnet und verabsäumt wurde, das Wissen der Mitarbeitenden aller
Ebenen zu nutzen, hält sich logischer Weise auch die Begeisterung für die Veränderung in Grenzen. Die Mitarbeitenden können sich gar nicht mit ihrem Engagement und ihrer Beitragsleitung
einbringen, weil dies von der Ressortleitung anscheinend bzw. offensichtlich nicht gewollt wird. Ganz im Gegenteil: Augenscheinlich sind die Ressortleitung und ihre „Reformer“ überzeugt, dass
ausschließlich durch Zwang, Druck, Unsicherheit und Stress die Mitarbeitenden bewegt werden können, jedoch nicht durch Motivation.
5. Gelebte
Fehlerkultur: Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Bei dieser Reform wird leider sehr viel (auch sinnlos) gehobelt. Dass das Ressort bisher schon
eher eine mangelhafte Fehlerkultur pflegte, ist zumindest den davon Betroffenen bekannt. Dass nunmehr offenkundig gravierende Fehler betreffend die Aufbau- und Ablauforganisation schöngeredet
bzw. negiert werden, ist mehr als bedenklich und zeugt von erheblicher Schwäche in Angelegenheiten des Change-Managements.
6. Führungskräfte und ihre Glaubwürdigkeit: Führungskräfte sind gut beraten, die Vor- und Nachteile einer Organisationsanpassung offen, transparent und ehrlich zu kommunizieren. Die Frau Bundesminister hat in ihrer ersten Ministerweisung (wohl auch bedingt durch die wenig sachgerechte Beratung seitens ihrer „Reformer“) festgehalten, dass niemand einen besoldungsrechtlichen Nachteil haben soll. Nach Vorliegen der ersten Ergebnisse zu den Organisationsplanverhandlungen mit dem BMKÖS[1] ist diese Aussage als unzutreffend zu bewerten. Denn tatsächlich verlieren ca. 40 Prozent der Mitarbeitenden (wohlgemerkt der Zentralstelle!) bei gleichem Arbeitsumfang und gleicher geforderter Bearbeitungsqualität, dies zudem bei einer Reduktion der Arbeitsplätze um ca. 15 Prozent, zumindest eine Funktionsgruppe. Wie stark diese Abwertungen der Arbeitsplätze die Angehörigen der GDLV[2] treffen wird, kann derzeit noch gar nicht abgeschätzt werden. Durch die Nachordnung des bisherigen Generalstabes (jetzt GDLV) werden die betroffenen Mitarbeitenden mit dem Verlust von wohl sogar zwei Funktionsgruppen rechnen müssen, weil gem. Anlage 1 zum BDG[3]-1979 Arbeitsplätze dieser Ebene jedenfalls geringer zu bewerten sind, als solche der Zentralstelle.
Mysterium der Zuständigkeiten
Leider hat auch der Zentralausschuss grünes Licht für diese Organisationsänderung gegeben, obwohl mehrere Dienststellenausschüsse schwere Bedenken geäußert hatten. So sind viele Abläufe und Zuständigkeiten bis heute nicht geregelt. Die Dienstbehörde arbeitet nach der alten (rechtskonformen) Organisation. Die Zentralleitung und die GDLV (als fiktive Organisation) müssen sich jedoch an „Schattenprozesse“ halten, was verwaltungsrechtliche Probleme mit sich bringt. Viele Betroffene wissen nicht so recht, wer wirklich Disziplinarvorgesetzter ist, welche Zeitordnung gilt, wer letztlich weisungsbefugt ist, wer verwaltungskonform z.B. den Erholungsurlaub genehmigen darf, usw. Das wissen offensichtlich auch nicht jene, die diese Reform zu verantworten haben, denn mehrere Anfragen der Personalvertretung zur Klarstellung von Zuständigkeiten und Verwaltungsabläufen wurden bis heute nicht beantwortet. Wer konkret wofür zuständig ist, bleibt sicherlich noch länger ein Mysterium.
Matrixorganisationen eignen sich besonders gut für digitalisierte junge Unternehmen (z.B. Start-Ups). Wie man sich vorstellt, in einer Matrixorganisation das ÖBH[1] mit seinen Verbänden zu führen, befremdet nicht nur die Angehörigen des ÖBH selbst, sondern auch so manche Angehörigen anderer Streitkräfte sowie interessierte Bürgerinnen und Bürger. Die Direktorinnen/Direktoren der GDLV sind de facto keine Kommandanten/Kommandantinnen, sondern Verwaltungsbeamtinnen/-beamte, die in einer Matrixorganisation die Einsatzvorbereitung und -führung im Kollektiv beraten und akkordieren müssen. Die GDLV verfügt auch nicht über einen Stab, der die entsprechenden stabsdienstlichen Beiträge konzentriert bearbeiten könnte und somit den Einsatz der verbundenen Kräfte bzw. den Kampf der verbundenen Waffen gewährleisten würde. Die Verbände des ÖBH wiederum müssen sich „herauspicken“, wer wofür zuständig sein könnte und sind gezwungen, für lediglich ein Vorhaben dann meist differenziert mehrere Anträge an die jeweiligen Direktionen zu stellen. Werden Geschäftsstücke oder Anträge in den Umlauf gebracht, so ist jedenfalls ein regelrechtes „Stabs-Ping Pong“ zu starten. Wer letztlich die (ungeteilte) (Kdt-)Verantwortung trägt, weiß niemand.
Wer kommandiert?
Die Idee, Kompetenzen zu konzentrieren, ist grundsätzlich zu begrüßen. Dass hierbei jedoch die o.a. Grundprinzipien der Organisationslehre gebrochen werden, stimmt bedenklich bzw. ist erstaunlich. Offensichtlich wurde verabsäumt, sich den voneinander abhängigen Fragen zu stellen, u.a. nämlich, wie die Aufgabenteilung stattfindet und welche Hierarchien sowie Zuständigkeiten sich daraus ergeben und wie die Abläufe in der Leistungserstellung definiert werden sollen.
So ist beispielsweise nicht nachvollziehbar, warum die Chance verpasst wurde, ein zentrales Kommando für das gesamte Bundesheer zu schaffen und warum Abteilungen, denen eindeutig ministerielle Aufgaben zuerkannt sind (z.B. Streitkräfteplanung, Richtlinienkompetenz), in die Nachordnung verschoben werden.
Viele Bedienstete fragen sich (wenn sie nicht schon in die Resignation getrieben wurden), wie die Staatsaufgabe Landesverteidigung, auch unter Bedacht auf den Krieg in der Ukraine, aus diesem Dilemma ausbrechen könnte. Albert Einstein stellte fest: Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind. Wer also das Falsche perfekt geplant hat und damit das perfekt Falsche geplant hat, kann von sich aus keine Verbesserung erwirken.
Die UGÖD-BMLV fordert die Ressortleitung daher auf:
-
Die Voraussetzungen für das Wiedererlangen der Einsatzbereitschaft des Bundesheeres durch zeitnahe Beseitigung von Nebenaufgaben (z.B.
sihpolAssE/hsF[1]
und Botschaftsbewachung) sowie durch intensive Individual- und Kollektivausbildung fokussiert auf die Abwehr- und Schutzoperation und durch zielgerichtete Personalrekrutierung zu
schaffen.
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Die operative Führungs- und Stabsstruktur des Bundesheeres mit einer eindeutigen Kommandantenverantwortlichkeit und eindeutigen Zuständigkeiten
wiederherzustellen.
-
Jene Abteilungen der GDLV, welche Richtlinienkompetenz bzw. militärstrategische Aufgaben (z.B. Streitkräfteentwicklung) zugeordnet haben, in die
Zentralstelle zu reintegrieren.
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Die Stärkung der Wehrpflicht einschließlich der Miliz im Kontext zur gesellschaftlichen Entwicklung, zur Digitalisierung und zu modernen technischen
Systemen komplex und neu zu überdenken.
- Die Verwendung von Wehrpflichtigen in der „Systemerhaltung“ zu unterlassen und im Gegenzug Zivilbedienstete einzustellen.
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Jede Abwertung von Arbeitsplätzen, falls erforderlich auf politischer Ebene, zu unterbinden.
-
Einen wertschätzenden Umgang mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ressorts durch Ehrlichkeit, Transparenz und Nachvollziehbarkeit von
Reformmaßnahmen zu pflegen
- Den Ressortangehörigen eine geeignete Infrastruktur und ein ordnungsgemäßes Dienstumfeld bereitzustellen.
Kultur der Landesverteidigung
Letztlich muss das Bundesheer zeitnah zum glaubwürdigen Garanten für die Aufrechterhaltung der Souveränität Österreichs werden, wie dies die Bundesverfassung fordert. Die Ressortleitung wäre jetzt gut beraten, Gestalterinnen und Gestalter einzusetzen, die einerseits das Wesen und die Kultur der Landesverteidigung verinnerlicht haben und andererseits die Regeln der Organisationslehre sowie des Change-Managements beherrschen.
Jürgen Gruber,
Bundesvorsitzender UGÖD/BMLV
OStWm GRUBER Jürgen
Referent Militärpersonen Unteroffiziere
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