· 

Alles nur für die Wirtschaft?

Ein brennender 100-Euro-Schein

„Koste es, was es wolle”?

 

Kurz und Kogler mit demselben Satz auftreten zu sehen in den Medien, das war schon überraschend. Aber mich hat noch mehr überrascht, dass von 38 Milliarden für Österreich die Rede war - und eigentlich nur „für die Wirtschaft“ die Botschaft dahinter, weil das Arbeitsmarktservice (AMS) davon nur 400 Millionen für 2020 erhalten sollte.

 

In der Zwischenzeit ist wieder Zeit vergangen und viel mehr Menschen als erwartet haben ihre Arbeit verloren – als deren Zahl bei über 400.000 lag, räumte die Regierung ein, dass das AMS 2020 doch 1 Milliarde Euro zur Verfügung gestellt bekommen müsse. Jetzt liegt die Arbeitslosenzahl bei über 560.000 und das Budget des AMS liegt inzwischen bei 3 Milliarden Euro – wohlgemerkt von insgesamt 38 Milliarden für Österreich!

 

Schadenersatz noch vor dem Schaden?

 

Aus Tirol hören und lesen wir Berichte, dass manche Hotelbesitzer ihr Personal nach Hause schickten, weil sie es nicht verköstigen wollten während einer Schutzisolierungszeit für ganze Ortschaften und damit eigentlich für große Teile Europas, in die die Gäste auch sofort entlassen werden sollten und teilweise auch entlassen wurden.

 

Exzesse des Turbokapitalismus wurden deutlich sichtbar, Geldverdienen muss doch auch möglich sein in Krisenzeiten – „wir sind die Leistungsträger und uns kann man doch nicht einfach so abdrehen, Pandemie hin oder her!“. In der dritten Woche mit Ausgehverbot und starken Beschränkungen des gesellschaftlichen Lebens in Österreich schließen sich bereits Tourismusexperten mit Rechtsanwälten kurz und klagen die Republik auf Schadenersatz.

 

Obst- und Weinbauern klagen, dass ihren Kulturen der Frost zugesetzt habe und Schäden in der Höhe von 11 Millionen Euro verursacht habe – wie deren Hagelversicherungsexperten das immer so schnell wissen, wie hoch in Millionen Euro der Schaden zu beziffern ist, verwundert mich schon lange.

 


Bisher: Nullbudget statt Sozialstaat

Nun: 28 Mrd. für die Wirtschaft, 30 Mio. für Familien (!)

 

Die Regierung stellt im 3. COVID-19-Gesetz vom 2.4.2020 dem Finanzminister 28 Milliarden Euro für die Unterstützung von Unternehmen zur Verfügung.

 

Die einen sind Arbeitgeber*innen, die nicht mehr wissen, wie es mit ihrem Betrieb weitergehen soll. Die anderen sind Arbeitnehmer*innen, die nicht mehr wissen, wovon sie ihre Existenz bestreiten sollen. Die Regierung sagt, koste es, was es wolle, und stellt nach wie vor 38 Milliarden Euro zur Rettung Österreichs zur Verfügung.

 

Österreich ist auch eines der reichsten Länder der Welt gewesen bisher und erstaunlich war daran, dass der Finanzminister der Republik nicht den Namen Dagobert Duck annahm, so sehr wie er darauf bedacht war, dass wir alle zusammen keine Schulden machen, viele Steuern zahlen und der Wirtschaftsstandort Österreich nicht gefährdet wird durch ein Budgetdefizit.

 

Für ein Nullbudget ums andere haben wir uns vom Sozialstaat seit langem weit entfernt. Die Regierung stellt im 3. COVID-19-Gesetz vom 2.4.2020 für gefährdete Familien 30 Millionen Euro aus dem Familienlastenausgleichsfonds zur Verfügung.

 

Regierung: Viel Geld, kein Plan?

 

Was die in drei Wochen beschlossenen fünf COVID-19 Gesetze tatsächlich kosten werden, rechnet uns jetzt noch niemand genau vor. Dabei haben wir viele Expert*innen, die bisher bei nahezu jeder gesetzlichen Maßnahme wenigstens einen voraussichtlichen Preis berechnen konnten. Das macht mich ebenso besorgt wie die weit verfrühten Überlegungen der Regierungsspitze, den Handel langsam wieder in Gang zu bringen – also doch zuerst „nur die Wirtschaft retten“.

 

Vor ein paar Tagen war doch noch ausschließlich davon die Rede, dass „Leben zu retten“ seien! Ich wäre daran interessiert, dass sich jetzt endlich einmal Expert*innen zu Wort melden, die uns Alternativen durchrechnen für die Verwendungsmöglichkeiten von 38 Milliarden Euro. Ein Lichtblick war die TU-Wien, die die Verbreitungsgeschwindigkeit des Coronavirus in mehreren Szenarios durchrechnete, kurzfristige und langfristige Prognosen.

 

Kritische Fragen an die Regierung:

 

Was wir mit 38 Milliarden Euro alles auf den Weg bringen können:

  • Lässt sich damit das Bildungssystem finanzieren und die gleiche E-Learning-Ausstattung für alle Personen im Bildungssystem: Kindergartenkinder, Schüler*innen, Student*innen, Lehrende?
  • Kulturschaffende zeigen uns gerade, wie mit einiger Fantasie und neuen Medien uns die Zeit überhaupt nie lang werden muss in der physischen Zurückgezogenheit zum Schutz von uns allen – dürfen sie dafür und für ihre Existenzsicherung mit mehr Förderung rechnen?
  • Kann damit das Gesundheitssystem wieder auf eine gesicherte Basis gebracht werden und die Prävention endlich gefördert werden, so dass weniger Menschen in Zukunft zu risikogefährdeten Gruppen werden können?
  • Werden Arbeitnehmer*innen im Homeoffice über die notwendige Unfallversicherung hinaus geschützt werden vor Schadenersatzforderungen durch Dienstgeber*innen, wenn sie ihre Dienstgeräte wieder zurückgeben und in den Dienst zurückkehren wollen?
  • Ist damit der öffentliche Verkehr und das Transportwesen auf einen klimafreundlichen Betrieb umstellbar? Werden Untersuchungen und Studien der Universitäten wie der für Bodenkultur oder auch der für Technik  und der für Wirtschaft jetzt ausgewertet und zusammengeführt, damit wir auf neue umweltschonende Verkehrswege kommen können?
  • Untersucht das Umweltbundesamt gerade jetzt im Auftrag der Regierung den Rückgang an Luftverschmutzung und die Auswirkungen des Stillstandes auf unsere Kleinklimazonen in Österreich, damit wir nach der Krise gute Entscheidungen für unsere Umwelt direkt um uns herum treffen können?
  • Kann damit die Land- und Forstwirtschaft kleinteiliger gestaltet und flächendeckend auf Bioproduktion umgestellt werden oder die Landschaftspflege auf neue klimaförderliche Wege gebracht werden?
  • Wird sich die „Koste es, was es wolle“-Zusage der österreichischen Regierungsspitze auf EU-Ebene erweitern lassen, damit wir nicht langfristig in nationaler Isolierung bleiben und an gemeinschaftlichen europäischen Lösungen nicht das demokratische Mitspracherecht verlieren?
  • Geht sich damit ein bedingungsloses Grundeinkommen aus bis zum Jahresende für alle gerade in Österreich lebenden Menschen?

 



Beate Neunteufel-Zechner

Beate Neunteufel-Zechner

UGÖD-Vorsitzende

Mitglied im GÖD-Bundesfrauenausschuss

UGÖD-Frauenreferat


 +43 / 681 / 20 90 30 59
beate.neunteufel-zechner@ugoed.at



Mehr zum Thema:

Eine Menschenschlange wartet auf einer Treppe

Das AMS braucht dringend mehr Personal!

500.000 Menschen arbeitslos, Zahl steigend

Mehr...

 

Krankenschwester trägt Mundschutz und Gummihandschuhe

Rechtsinformationen zum Coronavirus