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50 Jahre Arbeitsverfassungsgesetz

Nahaufnahme eines Gerichtshammers

1974 wurde das Arbeitsverfassungsgesetz in Kraft gesetzt und hat ganz bestimmt zur Stärkung der Sozialpartnerschaft in Österreich beigetragen

 

Aus diesem Anlass lud die Bundesarbeiterkammer am 13. Februar 2024 zu einer Festveranstaltung in Wien ein, bei der die bisherige Wirkung des Arbeitsverfassungsgesetzes in der Arbeitswelt besprochen und neue Forderungen für seine weitere Entwicklung in Diskussion gebracht wurden.

 

Besonders ist allein schon der Name Arbeits“verfassung“sgesetz; mit „Verfassung“ sind die Beziehungen in den Betrieben gemeint, die damit reguliert werden sollen. Für die tägliche Arbeit von Betriebsräten ist das „ArbVG“ unerlässlich, unser Tun und die Verfasstheit unserer Betriebe beruht darauf.

 

Das Arbeitsverfassungsgesetz ist ein sehr brauchbares und gut verständlich geschriebenes Gesetz zur Demokratisierung der Arbeitswelt. Den Arbeitnehmer:innen wird zugetraut, dass sie im Arbeitsleben Expertise entwickeln. Den Arbeitgeber:innen werden in der Machtentfaltung Grenzen gesetzt. Zentral geregelt werden Kollektivverträge und ihr Zustandekommen, die Bildung von Betriebsräten wird ebenso ausführlich beschrieben wie die Rechte und Pflichten von Betriebsrätinnen und -räten, auch die Regeln für Verhandlungen und Abschlüsse von Betriebsvereinbarungen sind ein zentrales Element des Arbeitsverfassungsgesetzes. Unter vielen anderen arbeitsrechtlichen Materien enthält es auch Schutzmaßnahmen und Vorschriften für den Fall von Kündigungen und Entlassungen.

 

Der Betriebsrat ist das Rückgrat vieler Betriebe, weil er durch seine vertrauliche Stellvertretungsfunktion viel Lösungskompetenz entwickelt und damit sowohl das betriebliche Leistungsniveau als auch das Betriebsklima fördert. Dennoch wird bei Betriebsgründungen oder bei Betriebsverlagerungen von Firmenleitungen versucht, die (Neu-)Gründung eines Betriebsrates zu verhindern. Solche Versuche sind gesetzlich zu unterbinden, weil sie die Demokratisierung der Arbeitswelt behindern und insgesamt der österreichischen Wirtschaft schaden.

 

Das heißt aber auch, dass das Arbeitsverfassungsgesetz in seiner jetzigen Form durchaus einer legistischen Weiterentwicklung bedarf. Besonders achten müssen wir als Unabhängige Gewerkschaftsfraktion dabei und beim berechtigten Einmischen als Betriebsratsgremium auf unseren Sprachgebrauch. Wenn der Betriebsrat von qualitätsvollen Dienstleistungen redet und die Firmenleitung Dienstleistungen in abwertender Art zur Freizeitindustrie zählen will, dann prallen Ideologien aufeinander. Das schadet dem sorgfältigen Umgang miteinander und beeinträchtigt langfristig das Betriebsklima. Mit dem Arbeitsverfassungsgesetz können Polarisierungen in der Arbeitswelt abgefedert werden.

 

Es ist unbedingt darauf hinzuweisen, dass unsere Kolleg:innen mit Migrationshintergrund dank des Arbeitsverfassungsgesetzes bei Betriebsratswahlen sowohl aktives als auch passives Wahlrecht haben! Damit unterscheidet sich die Arbeitswelt einmal wohltuend von unserer Republik und ihrem Umgang mit in Österreich lebenden Menschen.

 

Da kein Gesetz perfekt ist und als in Stein gemeißelt gelten kann, müssen wir diskutieren, wo gesetzgeberisch nachgeschärft werden sollte, damit das Arbeitsverfassungsgesetz mit unserer Arbeitswelt mitwächst. Die Unabhängige Gewerkschaftsfraktion stellt aus Anlass der 50-Jahr-Feier ihren schon länger bestehenden Forderungskatalog vor:

 

 

UGÖD: Forderungskatalog zum 50er

 

Das Arbeitsverfassungsgesetz muss gestärkt werden!

  • Der Arbeitnehmer:innen-Begriff ist zum Schutz der arbeitenden Menschen neu zu definieren, weil etwa durch Homeoffice oder Plattformarbeit nur allzu oft Arbeitszeit und Freizeit durcheinandergeraten.

  • Wir brauchen elektronische Datenübermittlung an den Betriebsrat und stellen fest, dass da die Gesetzgebung hinter der technologischen Entwicklung hinterherhinkt
  • Die Bevollmächtigungen für Betriebsräte müssen erweitert werden im Bereich der Betriebsvereinbarungen. Firmenleitungen wünschen sich oft „schlanke“ Betriebsvereinbarungen. Aber durch die umfassende Digitalisierung unserer Arbeitswelt sehen wir Betriebsräte erhöhten Regulierungsbedarf sowohl für die Kolleg:innen, als auch zum Schutz vor digitalen Angriffen auf die Betriebe.
  • Wenn Betriebe und Belegschaften international im Einsatz sind, so muss es bei Betriebsratswahlen längere Fristen für das Einlangen von Wahlkarten geben und auch elektronische Betriebsratswahlen müssen im ArbVG geregelt werden.

  • Wichtig und unterstützenswert sind weiterhin die Jugendvertrauensräte, weil junge Menschen vom Beginn ihres Arbeitslebens an in demokratische Prozesse eingebunden werden müssen!
  • Zur Stärkung der Sozialpartnerschaft muss es ein Recht der Betriebsräte auf Rechtsauskunft von gesetzlichen und freiwilligen Interessenvertretungen geben.
  • Die Zahl der Arbeitnehmervertretungen in Aufsichtsräten, Kuratorien und ähnlichen Gremien ist zu erhöhen.

  • Notwendig ist eine Neuorganisation von Betriebsratsgründungen mit Strafklauseln für den Fall, dass solche Gründungen be- oder verhindert werden.

  • Was im Arbeitsverfassungsgesetz noch fehlt, sind betriebliche Klima- und Umweltschutzregelungen! Vielfach bewirkt die Arbeitswelt umweltschädliche Produkte und krankmachende Arbeitsbedingungen. Vieles funktioniert jedoch in Betrieben, in denen die Arbeitsverfassung gelebt wird, auch ohne gesetzliche Verankerung – ein Beispiel: ein Betriebsrat hat sich auf Grund des ArbVG seit 2006 maßgeblich eingebracht bei Gesundheitsvorsorgeprogrammen in all ihrer möglichen Vielfalt eines Betriebes – so wird an kleinen Schräubchen der Veränderung gedreht, die Kolleg:innen nehmen aus der Präventionsarbeit mit, was sie für sich gut und leicht umsetzbar finden. Insgesamt werden so die Krankenstandstage weniger, um Pensionierung wird später angesucht, das Betriebsklima ist für jung und alt im Betrieb gut, und im Betriebsrat werden immer wieder neue Ideen für weitere nachhaltige Aktivitäten zusammengetragen.

 

Zuletzt geht unser Dank an die Arbeiterkammer für die sehr informativ und abwechslungsreich gestaltete 50-Jahr-Feier zum Arbeitsverfassungsgesetz – und: die Pflichtmitgliedschaft bei den Arbeiterkammern sollte im Verfassungsrang abgesichert werden!

 

 

Beate Neunteufel-Zechner

UGöD Referatsleitung Klima und Strukturwandel