
Gastkommentare in der „Presse“: Zwischen Zynismus und sachlicher Analyse
Mit Zynismus saniert man kein Budget. Das bleibt als Fazit am Ende der Lektüre von zwei Gastkommentaren in der Presse[1] der letzten Tage. Demnach wurden die Sparerinnen und Sparer der Republik als Sündenböcke für das staatliche Haushaltsdefizit eruiert. Sie können angeblich ihre Lohnsteigerungen nicht mehr wegkonsumieren. „Weil Wohlstand ausnahmslos in der Wirtschaft entsteht“, Steuergeld hingegen keine „nachhaltig wohlstandsmehrende Wirkung“ entfaltet, sollte der Staat aufhören, Bürger zu alimentieren und „jene noch stärker zur Kasse zu bitten, die den Laden am Laufen halten“.
Klar, mit solchen Sprüchen tappt man unweigerlich in die Verallgemeinerungsfalle, denn so, wie es zweifellos schlechtes Personal gibt, haben wir aktuell z. B. Signa, welch letztere sich geschickt hinter Stiftungen verbarrikadieren kann, Einrichtungen, die Arbeitnehmer:innen verschlossen bleiben. Also Vorsicht beim voreiligen Begriff der „wohlstandsmehrenden Wirkung“! Und überhaupt: Die Kritik an den angeblich überbordenden Gehaltsabschlüssen ist absurd, wenn man diese relativ zu den im europäischen Vergleich (!) überbordenden Inflationsraten betrachtet. Diese Gehaltsabschlüsse lagen in der Regel im Bereich der rollierenden Inflation, demnach kaum Spielraum für Kaufkrafterhalt, geschweige denn Steigerung der Kaufkraft! Die Behauptung, die Löhne seien der Produktivitätsentwicklung „davongaloppiert“, sind nach 18 Jahren ÖVP-Finanzministern einfach nur lächerlich und bewegen sich auf dem Niveau von Schuldzuweisungen in Klassenkampfmanier. Dazu kommt: Wenn man schon herausrechnet, dass jetzt die Sparquote der Haushalte überdurchschnittlich hoch ist, dann liegt doch die Schlussfolgerung nahe zu erkennen, dass wir vom Ende der Pandemie nicht weit entfernt sind, die Menschen die verbrauchten Ersparnisse wieder neu ansparen wollen und das nicht deshalb tun, um der Wirtschaft zu schaden. Auch beim Hinweis auf 2010 hilft Nachdenken, denn was war denn unmittelbar vorher 2007/2008 und wer hat die Wirtschaftskrisenschäden maßgeblich saniert? Richtig, die Steuerzahler:innen! Maßvolle Zurückhaltung bei Schuldzuweisungen wäre angebracht.
Wir fordern: Faire Lohnabschlüsse und Rückbesinnung auf den Wert der Sozialpartnerschaft
Ich versuche mich an den Satz anzuklammern, an dem ich beginnen kann, mich halbwegs sachlich/seriös abzuarbeiten:
„Weil Wohlstand ausnahmslos in der Wirtschaft entsteht, geschaffen von leistungsorientierten Arbeitnehmern und risikofreudigen Unternehmern.“
Das allerdings geht auch nur unter der Voraussetzung zuzustimmen, dass „alles“, was man tut, zumindest zum Teil „Wirtschaft“ ist, also auch Kunst, Kultur, Bildung, Pädagogik, Sport, Gesundheitswesen, etc. Unter dieser Prämisse ein klares „Ja“ zu: … geschaffen von leistungsorientierten Arbeitnehmer:innen und risikofreudigen Unternehmer:innen (wenn ich mir erlauben darf zu gendern).
Was hilft:
· Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen angemessener Steuerbelastung und fairen Lohnabschlüssen.
· Eine Erweiterung der Kompetenzen und Rückbesinnung auf den Wert der Sozialpartnerschaft.
Was stört:
· Schuldzuweisung und Klientelpolitik.
· Hochmut und Missachtung sozialer Verantwortung.
Nachsatz der UGÖD-Gewerkschaftsfraktion: Wenn es in Spanien gelungen ist, eine Neubewertung der Arbeitszeit politisch durchzusetzen, dann sollten wir in Österreich wenigstens damit beginnen, ernsthaft darüber nachzudenken.
Stefan Schön,
Pressesprecher der UGÖD
[1] Schellhorn am Samstag
Das EU-Defizitverfahren macht klar, wie tief wir gesunken sind.
Gastkommentar
Wo war die Lohnzurückhaltung, als wir sie am dringendsten gebraucht hätten?