![Schwarzer Hintergrund mit blauem Querstreifen](https://image.jimcdn.com/app/cms/image/transf/none/path/sadfa96ada98f44d4/image/if4a1f157c49b7c57/version/1737977048/schwarzer-hintergrund-mit-blauem-querstreifen.jpg)
Aus der Geschichte lernen wir
Es war 2010, als der Rechnungshof nüchtern über Niederösterreichs Finanzlandesgebarung urteilte: "Die Performance der für das Land veranlagten Gelder unterschritt den ... Auszahlungsbedarf für das Land um knapp eine Milliarde Euro." Ein großer Teil der Wohnbauförderung war verspekuliert. Der damalige Finanzlandesrat Sobotka blieb gelassen und wurde später Nationalratspräsident.
Es war voriges Jahr im Herbst vor der Nationalratswahl, dass der damalige Finanzminister Brunner die Staatsverschuldung mit 2,9% bezifferte und ein EU-Defizitverfahren ausschloss. Trotzdem verlor die ÖVP die Wahl signifikant, die Prognose des Fiskalrats für die Verschuldung liegt mittlerweile bei über 4% und Brunner wurde umgehend mit dem Posten eines EU-Kommissars belohnt. Hinter ihm ein Schuldenberg von über 6 Milliarden Euro.
Dass die erste Runde eines Koalitionsversuchs scheiterte, verwundert nicht und der zweite Versuch lässt erste Einblicke zu, die erschrecken und Widerspruch auslösen.
Pensionen
Fast jede Budgetkrise führt unmittelbar zum Ruf nach einer Pensionsreform, weil sich Österreich unser Pensionssystem angeblich nicht leisten könne. Fakt ist, im Jahr 2023 wurden 95% des Pensionsaufwands der PVA durch Beitragseinnahmen für Versicherte gedeckt, die Ausfallshaftung des Bundes blieb mit 2,3% des BIP zehn Jahre lang bis 2023 stabil und den Großteil der Aufwendungen zahlen sich Unselbstständige weiterhin selbst und nicht der Bund. Umso unverschämter also das Ansinnen, die Beitragszahler:innen abzocken und ihnen die Inflationsabgeltung vorenthalten zu wollen. Dieser Pensionsraub wäre schäbig und würde den Generationenvertrag in Frage stellen. Der alternative Vorschlag, die Krankenversicherungsbeiträge für Pensionist:innen erhöhen zu wollen, ist auch nicht besser und auf demselben miesen Niveau.
Klimabonus
Die Abschaffung des Klimabonus käme einer abrupten Steuererhöhung gleich, so als würde man die Mehrwertsteuer von einem auf den anderen Tag massiv erhöhen wollen. Es ist absurd, dies in einem Bereich anzudenken, der ohnedies sensibel überstrapaziert und in den Auseinandersetzungen von Ahnungslosigkeit und abgehobener Emotionalität gekennzeichnet ist. Wir müssen mit unseren Rohstoffen wertschätzend umgehen und der Ausbeutung unseres Planeten entgegentreten. Wir müssen außerdem unsere Energiepolitik von Grund auf überdenken und damit aufhören, Fehlentscheidungen und die Kosten wirtschaftlicher Übermacht auf die Bezieher:innen elementarer Güter zu überwälzen. Jene Unternehmen dürfen sich nicht hinter Merit Order, Marktzwängen, Preisbindungen und Fehlentscheidungen verstecken, um de facto sittenwidrige Preisgestaltung durchzusetzen. Wer sich unternehmerisch und politisch zwei kriegführenden Ländern gleichermaßen aussetzt, soll selbst den Preis dafür zahlen. Wir brauchen dringend die Wende in der Energieversorgung, denn wir verfügen über ausreichend Wind, Sonne und Erdwärme im Land. Förderungen in diese Richtung gehören erhöht und nicht abgeschafft. Und es wären nicht die klassischen Unternehmerparteien am Werk, wenn nicht prompt wieder Klientelpolitik Platz greifen würde: Die Abfederung der CO2-Bepreisung soll nämlich für Landwirte und viele Gewerbetreibende aufrecht bleiben.
Bildung und Soziales
Von den Bildungszugangsschranken über fehlende Inklusion, Diskriminierung, mangelhaft ausgestattete Bildungseinrichtungen, schlechte Arbeitsbedingungen fürs Personal, bis zur mangelnden Vereinbarkeit von Lernen, Familie und Beruf: Die Liste der Dauerbaustellen ist lang. Die Einführung der Bildungskarenz war ein zarter Anfang in eine der notwendigen Richtungen. Den Bezieherinnen dieser Einrichtung vorzuwerfen, sie würden durch Aneinanderreihung von Kinder- und Bildungskarenz ihre Freizeit verlängern, ist an perfider Unterstellung kaum mehr zu überbieten. Auch der Brotneid gegenüber Arbeitslosen, die bis zur Geringfügigkeitsgrenze zuarbeiten wollen, dockt an die Zyniker ohne Heiterkeitsfaktor an: Erinnern wir uns an die ministerielle Einschätzung, man könne von 150,00 Euro im Monat leben und mit dem berühmt-berüchtigten "Nehammer-Burger" als warme Mahlzeit auskommen.
Nein! Beide Sparmaßnahmen wären extrem kontraproduktiv und weitreichend falsche Signale. Denn wir brauchen Fachausbildung, Grundlagenbildung, Charakterbildung, humanistisches und kulturelles Engagement. Budgetmittel für Bildung und soziale Absicherung sind einsparungsresistent, weil wir jetzt schon riesige Defizite in beiden Bereichen haben, die beseitigt gehören.
ORF: „Bitte, bitte bei Verhandlungen nicht vergessen: Betriebsräte müssen das Stimmrecht bei Personalentscheidungen im Stiftungsrat verlieren“,
sprach der damalige FPÖ Stiftungsrat Norbert Steger und ließ damit auch durchblicken, was er von Personalvertretung und Sozialpartnerschaft hält. Klar, denn mit Zustimmung der Betriebsräte kann das niemals gehen, was er damals im ORF wollte: „Ohne Personelles wird trotzdem kein einziger FPÖ-Beitrag objektiver oder freundlicher werden! Dazu muss wer rausgeschmissen werden!!!!“. Eigentlich bräuchte man heute, 2025, nicht viel mehr zu tun, als die Stellen aus dem Chat von damals ins Koalitionsabkommen reinzukopieren. Darum geht es ihnen, also der FPÖ jedenfalls, wenn sie die Haushaltsabgabe abschaffen wollen und den ORF stattdessen aus Steuergeldern finanzieren wollen. Am besten unter einem FPÖ-Finanzminister. Mit Entlastung der Haushalte hat das rein gar nichts zu tun. Und im Übrigen: Wo ist bei dieser budgetbelastenden Konstruktion das Sparziel? Nirgends.
Alternativen
Die nächste Regierung wäre gut beraten, sich nicht ausschließlich auf die verkrampfte Suche nach Einsparungspotential zu machen, sondern gleichzeitig über Investitionen nachzudenken. Nur zwei Anregungen:
Zweckgebundene Unterstützung für Unternehmen bei der Attraktivierung von Arbeitsplätzen und Schaffung von Weiterbildungsangeboten sowie deren Förderung. Dies wäre mit einem Qualitätsschub in alle Richtungen verbunden, der dazu beitragen kann, dass Jobangebote und Arbeitssuchende wieder besser zueinander finden.
Der zweite Aspekt betrifft die steigende Notwendigkeit zur entschlossenen Bekämpfung von Korruption und Wirtschaftskriminalität. Spektakuläre Insolvenzen hinterlassen enorme, nicht nur wirtschaftliche Schäden, die das Vertrauen in unseren Wirtschaftsraum nachhaltig beschädigen. Österreichs Herabstufung im Fitch-Rating mag vordergründig aktuell auf die hohe Staatsverschuldung zurückzuführen sein, aber wenn es doch - wie immer wieder betont wird - so oft auf "die Stimmung" ankommt, dann können Wirecard und Signa für unser Land nicht von Vorteil sein. Kontrollmechanismen müssen funktionieren und dazu müssen sie unabhängig sein und bleiben. Gewaltenteilung hat nichts mit Kernspaltung zu tun, sondern sorgt dafür, dass die drei Staatsgewalten Gesetzgebung, Vollziehung und Rechtssprechung wie Zahnräder korrekt ineinandergreifen, damit Verwaltungshandeln berechenbar bleibt. Das Schielen in Europas Ecken, wo das anders gesehen und vollzogen wird, sollte abschreckend wirken und nicht als Vorbild dienen. Budgetkonsolidierung ist eine hohe Kunst, die ein großes Ziel vor Augen haben sollte und mit hohem Verantwortungsbewusstsein gepaart. Momentan hat man den Eindruck, dass im Planschbecken des Kürzungspools mal da, mal dort ein wenig Wasser über den Beckenrand tritt, das rasch wieder zurückgewischt wird, um es an anderer Stelle nochmals zu probieren. Eine Weile könnt ihr noch so weitermachen, wir melden uns jedes Mal verlässlich, wenn der Bogen überspannt werden sollte. Es gibt durchaus noch Varianten des Regierens, die wir innerhalb des Verfassungsbogens noch nie hatten.
Stefan Schön, Pressesprecher