Pflege im Strafvollzug: Reformen nötig
Sandra Gaupmann, Bundesleitungsmitglied der UGöD und stv. Vorsitzende im Zentralausschuss der nichtexekutiven Bediensteten an Justizanstalten analysiert mit ihren Kolleg*innen der UGöD die Situation der Pflegebediensteten im Bereich des Strafvollzuges:
Im internationalen Jahr der Pflege muss man konkret die Möglichkeit nutzen, sich die Errungenschaften im Bereich Gesundheits- und Krankenpflege beim Bund der letzten Jahre vor Augen zu führen. Oberflächlich hat sich nicht sehr viel getan. Sieht man genauer hin, kommt man – leider – zum selben Schluss.
Zivile Berufsgruppen nachrangig
Woran liegt das? Natürlich einerseits an der Größe der einzelnen Berufsgruppen innerhalb des Strafvollzuges, denn der Fokus lag bisher eindeutig bei den Justizwachebeamt*innen, die zahlenmäßig die größte Berufsgruppe im Bereich Strafvollzug ausmachen. Das führt dazu, dass unter anderem pflegerelevante Themen/Forderungen offenbar nachrangig betrachtet wurden, obwohl die Pflege die zweitgrößte zivile Berufsgruppe darstellt.
Pflege: Zahlreiche Probleme
Mit welchen Problemen haben die Pflegenden zu kämpfen? Das Gehalt ist noch immer am veralteten K-Gehaltsschema (1) orientiert, welches viele Bewerber*innen von vornherein abschreckt sich beim Bund zu bewerben und bereits angestelltes Personal zu einem Arbeitsplatzwechsel anregt. Während man bei der Gemeinde Wien mittlerweile erkannt hat, dass es einen finanziellen Anreiz in Form eines höheren Grundgehalts geben muss (W-Gehaltsschema) (2), hinkt der Bund noch hinterher. Einige Bedienstete verrichten Zweitjobs, um finanziell über die Runden zu kommen.
Bei der Personalbedarfsberechnung sind etwaige Fehlzeiten in Form von Krankenständen, Urlauben, Karenzen, etc. nicht miteinberechnet. In der Justizanstalt Josefstadt betreut beispielsweise ein*e Pflegebedienstete*r unverhältnismäßig viele Patienten, die auch oftmals psychiatrische Krankheitsbilder aufweisen bzw. als psychisch kranke Rechtsbrecher gelten. Üblicher und optimaler Weise betreut in einer psychiatrischen Anstalt (außerhalb des Bundes) eine Pflegeperson vier Patienten, dieser Schnitt ist im Bereich der Justiz nicht einmal ansatzweise zu erreichen. Im Nachtdienst ist die Personalausstattung noch dramatischer. Für einen Nachtdienst gibt es allerdings beim Bund keine zwei Nachtgutstunden bezahlt, wie sonst üblich. Als Pflegebedienstete*r bekommt man für einen Nachtdienst mit 12,5 Stunden ca. 11 Euro pro Stunde vergütet.
„Einige Bedienstete verrichten Zweitjobs,
um finanziell über die Runden zu kommen.” |
Bedienstete des Bundes arbeiten 40 Stunden pro Woche. Personal, das über die Justizbetreuungsagentur angestellt ist, verdient bei einer 38 Stunden-Woche zwar mehr als bundesbedienstete Kolleg*innen, allerdings sind die Kolleg*innen der Justizbetreuungsagentur von Karriereschritten innerhalb der Justiz ausgeschlossen. Hier herrscht auf beiden Seiten Ungleichbehandlung, die schnell „repariert“ werden muss.
Kolleg*innen fehlen
„Die Krankenpflege beim Bund ist nicht mehr konkurrenzfähig“, meint DGKP Christian Husch, BSc MSc MSc, Gewerkschafter und Ersatzmitglied im Zentralausschuss der Nichtexekutive der Fraktion UGöD, „man hat mit chronischen Personalengpässen zu kämpfen. Erschwerend hinzu kommen die strengen Kriterien bei der Auswahl der ohnehin zahlenmäßig geringen Bewerber*innen, da es sich um Arbeit in einem Gefängnis und somit um ein besonders gefährliches und unattraktives Arbeitsumfeld handelt. Gerade hier müssen verstärkt Anreize geschaffen werden.“
UGÖD fordert: Bessere Bezahlung, 35h-Woche und mehr Personal
Wie kann man die Probleme in der Pflege lösen?
- Zum einen beispielsweise durch die Umstellung auf das W-Gehaltsschema (W2/10) inklusive aller Zulagen. Mitarbeiter*innen müssen für ihre Leistungen angemessen entlohnt werden.
- Zum anderen durch die Gewährung der Psychiatriezulage, da es sich in der Forensik um einen psychiatrischen Spezialbereich handelt, in dem vorwiegend psychisch kranke Rechtsbrecher betreut
werden
- Zwei Nachtgutstunden pro geleistetem Nachtdienst, wie es bei anderen Institutionen längst üblich ist
- Nachtdienstzulage in Höhe von mindestens 80 Euro netto
- Berücksichtigung von Fehlzeiten bei der Personalbedarfsberechnung, um vorhersehbare Engpässe rechtzeitig kompensieren zu können
- Adaptierung der Planstellenbewirtschaftung an die neu geschaffenen Berufsgruppen Pflegeassistenz, Pflegefachassistenz und gehobener Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege erscheint mehr
als sinnvoll, da sich die Tätigkeitsfelder verändert haben
- Adaptierung der Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich erscheint in Anbetracht der außergewöhnlichen körperlichen und psychischen Belastung der Pflegebediensteten mehr als gerechtfertigt.
Pflegebedarf nimmt zu
Eine weitere Gefahr sieht Sandra Gaupmann zudem auch darin, dass es aufgrund von immer weniger Entlassungen von Insassen und verstärkter Einweisung in den Maßnahmenvollzug von psychisch kranken Rechtsbrechern zu einer „Veralterung der Inhaftierten“ im Strafvollzug kommt, was natürlich auch den Normalvollzug betrifft. Es werden bereits jetzt und auch in Zukunft verstärkt Pflegekräfte nötig sein um den erhöhten Pflegeanspruch von älteren Menschen in Haft gewährleisten zu können. Eine entsprechend konzipierte Justizanstalt oder Unterbringung in einer beispielsweise „(Nachsorge)Einrichtung für ältere, besonders pflegeintensive Insass*innen“ sollte auch endlich angedacht und umgesetzt werden.
Die Justiz wird sich diesen neuen Herausforderungen jetzt – im Jahr der Pflege - stellen müssen.
Sandra Gaupmann
Bundesministerium für Justiz
Personalvertretung zivile Bedienstete
Hansenstrasse 4-6, 1016 Wien
+43 / 676 / 8989 17 00 7
Erläuterung:
(1) K-Gehaltsschema für Bedienstete in der Pflege der Stadt Wien laut younion_Die Daseinsgewerkschaft
(2) W-Gehaltsschema, eigentlich „Schema W2“: Gehaltsansätze für Pflege und andere Bereiche im Wiener Bedienstetengesetz ab 01.01.2019
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