VP-FPÖ-Regierung als Chance für ArbeitnehmerInnen im öffentlichen Dienst?
Das aktuelle GÖD-Magazin präsentiert das Regierungsprogramm als
"bunte Smartie-Vielfalt" und distanziert sich von der “heulenden Oppositionsmeute“. Wir analysieren.
Quelle:
https://goed.at/fileadmin/magazin/2018-01/
Streichen von öffentlichen Aufgaben und Aufnahmestopp oder Arbeitsplätze, auch für 50+?
Der inoffizielle Chefredakteur Fritz Neugebauer lässt im Editorial kurz den GÖD-Vorsitzenden Norbert Schnedl zu Wort kommen. Der reagiert auf die unmissverständlich angesagte neoliberale Offensive mit einer defensiven, auf die angespannte Personalsituation im öffentlichen Dienst beschränkte Ansage: Die von der Regierung angekündigte "Aufgabenreform" könnte zur Entlastung der KollegInnen durch den Wegfall von Aufgaben führen, wegen der großen Pensionierungswelle bräuchte es aber auch Neuaufnahmen. Und für sein Strukturreformprogramm hat der zuständige Justizminister Moser in einem ZIB2-Interview versprochen „partizipativ mit der Bevölkerung und gleichzeitig mit den öffentlich Bediensteten für Österreich mit Österreich“ vorzugehen. Nicht das Schaffen notwendiger Arbeitsplätze zur Sicherung der Qualität gemeinwohlorientierter Leistungen und zum Abbau von chronischer Überbelastung der KollegInnen, sondern das Reduzieren von Aufgaben, egal ob Verwaltungsabläufe vereinfacht oder am Sozialstaat gespart werden soll. Kostenneutrales Wohlverhalten gegenüber dem neuen ÖVP-FPÖ-Dienstgeber und seiner sozial restriktiven Budgetpolitik?
Wirtschafts-, Sozial-, Steuer- und Budgetpolitik für die GÖD kein Thema?
Die UGÖD-Forderung nach einer sachlich fundierten, kritischen Einschätzung des Regierungsprogramms durch die GÖD ist im GÖD-Vorstand Minderheitenprogramm geblieben. Die von ÖVP und FPÖ intendierten Folgen für die ArbeitnehmerInnen im öffentlichen Dienst und in den ausgegliederten Betrieben, für Voll-, Teilzeit- und prekär Beschäftigte aller Branchen, für Erwerbsarbeitslose, für Alte und Junge, Frauen und Männer, MigrantInnen und "Einheimische", für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und Demokratie sind bis auf weiteres für FCG und anscheinend auch für die FSG kein GÖD-Thema. Eine Folgeneinschätzung des vorliegenden Regierungsprogramms sei keine Aufgabe der Teilgewerkschaft GÖD, sondern eine des ÖGB, der für Wirtschafts- und Sozialpolitik, für Steuer- und Budgetpolitik zuständig ist. Eine erste ÖGB-Stellungnahme gibt es seit November 2017, sie ist auch für GÖD-Mitglieder hier abrufbar.
Sozialabbau zugunsten marktmächtiger Unternehmen oder Vorbereitung gewerkschaftlicher Maßnahmen für eine soziale Steuer- und Budgetpolitik und für funktionierende öffentliche Dienste?
Die über 5 Seiten ausgebreitete Titelgeschichte im aktuellen GÖD-Magazin 1/2018 heißt "Die Gelegenheit ergreifen.“ Was diese mit sachkundig-kritischer Analyse des Regierungsprogramms zu tun haben könnte, kann auf Seite 10-18 von GÖD-aktuell-1/2018 nachgesucht werden. Konkrete GÖD-Forderungen oder gewerkschaftliche Maßnahmen zu ihrer Durchsetzung gibt es keine. Grad so, als ob kostenneutrales Wohlverhalten angesagt wäre. Abwarten und informelle Gespräche mit gestandenen schwarzen Parteifreunden in der Regierung - wie gehabt - wird´s mit Türkis-Kurz, Blümel und ihren Vertrauten nicht geben, erst recht nicht mit dem FPÖ-BM für öffentliche Dienste und dem Innenminister.
Eckehard Quin: Sachkenntnis fehlt
GÖD-Autor für diese Geschichte ist der auf Neugebauer-Zuruf ins GÖD-Präsidium kooptierte Dienstrechtsreferent Eckehard Quin. Weil dem "nicht nur der Platz, sondern in vielen Bereichen die Sachkenntnis fehlt", beschränkt sich sein Artikel aufs meist kommentarlos-zustimmige Zitieren von Passagen des Regierungsprogramms, in denen vom öffentlichen Dienst die Rede ist.
Die Folge: GÖD-Mitglieder werden daher in ihrer GÖD-Gewerkschaftszeitung keine Hinweise auf die Belastungen finden, die Schwarz-Blau allen ArbeitnehmerInnen zumuten wollen und die auch öffentlich Bedienstete und „ausgegliederte“ ASVG-DienstnehmerInnen betreffen.
Das alles wird im GÖD-Magazin ausgespart:
- Die Schwächung von AK- und ÖGB
- Betriebsvereinbarungen statt flächendeckender Branchen-Kollektivverträge
- Sozialabbau und Sozialversicherungsumbau
- 12-Stunden-Arbeitstag
- 60-Stunden-Arbeitswoche
- Wegfall der Notstandshilfe für Arbeitslose
- Kürzung der Mindestsicherung
- Verschärfung im Asyl- und Bleiberecht
- Ausgrenzung sozial Schwacher
- schwarzblaue Pädagogik mit Ziffernnotendruck und Ausbau des Zweiklassen-Schulsystems
- Kapital- und Vermögensförderung auf Kosten der sozialen Wohlfahrt
Und Quins einleitende Kritik am "ungustiösen zweideutigen Kickl-Sager" über das konzentrierte Halten von Flüchtlingen wird zum Aufhänger für eine Distanzierung von der "heulenden Oppositionsmeute".
Nur leise Kritik
Leise Kritik gibt es zwar an den angekündigten Einsparungen durch Nichtnachbesetzung (Zitat: "Hier mehrere Millionen Euro einsparen zu wollen, ist ein - sagt Quin es vorsichtig - kühnes Vorhaben." Was auf 7 Seiten kommentarlos-unkritisch ausgebreitet wird, ist der Wortlaut von Passagen des Regierungsprogramms und seiner Chancen für Justiz, Polizei (Personalaufstockung!) und Bundesheer (mehr Budget!) und Bildung (unmissverständliches Bekenntnis zum differenzierten Schulsystem!).
Skepsis findet sich aber dann doch auch noch am Ende, in Form noch eines Zitats aus der Regierungserklärung (Achtung: Ironie!) "Alle vorgesehenen Maßnahmen werden nur umgesetzt, wenn sichergestellt ist, dass etwaige Mehrkosten oder Mindereinnahmen durch strukturelle Gegenfinanzierungsmaßnahmen gedeckt sind."
Den Schluss macht ein original-englisches Kennedy-Zitat über ein chinesisches Krisensprichwort, Quins Übersetzung: "Ich bin dafür, Gelegenheiten, die sich bieten, zu ergreifen." No na...
Taten und Forderungen der UGÖD
Wir UGÖDlerInnen in Personalvertretungen, Betriebsräten, im GÖD-Frauenausschuss und im Vorstand kritisieren nicht von außen. Wir bringen Themen in der GÖD ein und setzen Initiativen in unserer Gewerkschft. Für eine aktive, die KollegInnen informierende und mobilisierende Gewerkschaftspolitik. Auch wenn für die Mehrheitsfraktion FCG noch immer nicht klar ist, dass gegen Kurz und sein autoritäres Durchgriffsrecht in der ÖVP auch für die GÖD parteiunabhängige, von vielen Mitgliedern aktiv mitgestaltete Gewerkschaftsarbeit angesagt ist. Die klare Absage des GÖD-Vorsitzenden an die AK- und ÖGB/KV-Abrisspläne der Regierungsparteien, die noch vor der NR-Wahl über die Homepage abrufbar war, im GÖD-Magazin fehlt sie. Archiviert und abrufbar unter
Join the Union, change the Union!
Glück auf, trotz alledem!
Reinhart Sellner,
Vertreter der UGÖD im GÖD-Vorstand