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Aufsteigen oder Durchfallen, das ist hier die Frage

Ein Statement zum Kommentar von Manuela Honsig-Erlenburg im STANDARD vom 30. Juni 2023

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Der Befund über die Ziffernnoten sagt weniger über Ziffernnoten aus, als über die negativen Auswirkungen des Schulsystems, in dem am Ende jedes Schuljahres Lehrer:innen und Notenkonferenzen entscheiden müssen, ob ein Kind, ein/e Jugendliche/r, in die nächste Schulstufe aufsteigen darf oder ob sie „sitzenbleiben“ und das Jahr wiederholen müssen.

 

Neugierige Lernfreude ohne Angst endet für viele bereits in der Volksschule, wo sehr gute Noten als Voraussetzung für den Übertritt in eine AHS gesetzlich vorgeschrieben sind. Ob Ziffernnote 5 oder freundlich formulierte negative verbale Beurteilung, das ändert nichts an der „Berechtigung“ zum Durchfallen.

 

Wie es sein sollte

 

Was Kinder, Jugendliche, Eltern und Pädagog:innen brauchen, ist ein Schulsystem, das – in welcher Form immer – in vernünftigen Abständen beurteilt, daraus aber keine Berechtigung oder Nichtberechtigung zum Aufsteigen ableitet, sondern Anlass für Lehrer:innen ist, gemeinsam mit Schüler:innen und Erziehungsberechtigten einen Lern-Plan zu erstellen, wie im kommenden Semester Stärken und Interessen besser gefördert und Schwächen in einzelnen Kompetenzbereichen überwunden werden können.

 

Ohne Klassenwiederholung, ohne zusätzliches Schuljahr und im gewohnten Klassenverband. Individuelle Förderung, soziale Integration und Inklusion in einer gemeinsamen Pflichtschule für alle Kinder ohne permanenten Noten- und Auslesedruck sind möglich, das zeigen wissenschaftliche Untersuchungen und internationale Beispiele.

 

Weitere Proteste

 

Am 15. Juni 2023 waren 10.000 von der akuten Bildungskrise betroffene Eltern, Kinder und Lehrer:innen für bessere Arbeits- und Lernbedingungen an den Schulen und für eine inklusive gemeinsame Pflichtschule österreichweit auf der Straße, streikbereit wie die Freizeitpädagog:innen (DER STANDARD hat dazu ausführlich recherchiert und berichtet).

 

Ihre sachlich begründete Kritik und ihre konkrete Forderungen nennt der von der Schulrealität abgehobene Bildungsminister „Krankjammern“ des für ihn und andere ÖVP-Politiker:innen ohnehin guten Schulsystems. Er wird die Bildungsmisere weiter kleinreden – die Betroffenen wird das nicht vor weiteren Aktionen abhalten, im Gegenteil.

 

 

Reinhart Sellner

 

Jg. 47, Lehrer von 1971 bis 2012 und nach 11 Jahren Pension wieder von 15. März bis 30. Juni 2023


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